Marco Polo der Besessene 2
letztes Gewand ver spielt hatten, allen Grund, sich aus dem Nichts wieder emporzuarbeiten und zu einem Wohlstand zu kommen, der es ihnen gestattete, wieder an unsere Tische zurückzukehren. Glücklicherweise kann ich sagen, daß unser System -anders als das alte Steuersystem vorher -Menschen nicht zu dem verzweifelten Schritt trieb, zu Wucherzinsen Geld zu leihen und sich so hoch zu verschulden, daß sie nie wieder herauskamen. Doch das ist nichts, worauf ich mir etwas einbilden könnte; das lag einzig und allein an den Beschränkungen, die der Khakhan den Muslime auferlegte; es gab einfach keine Wucherer mehr, von denen man hätte Geld leihen können. Soweit ich es beurteilen kann, wurde Manzi durch unsere Bohnen-Banken nicht ausgeblutet; im Gegenteil, dies Spielsystem gab dem Fleiß und der Produktivität der Han neuen Auftrieb. Alle hatten nur Gutes davon, vom Khanat als ganzem bis zu der arbeitenden Bevölkerung ganz allgemein (nicht zu vergessen die vielen Menschen, die ständige Arbeit in unseren Banken fanden), für die es in der Verlockung eines leicht zu gewinnenden Vermögens zumindest etwas gab, wovon sie träumen konnten.
Kubilai hatte gedroht, wenn er mit meiner Leistung als Vertreter des Schatzamtes in Hang-zho unzufrieden wäre, mich dies umgehend wissen zu lassen. Selbstverständlich bestand dafür keinerlei Anlaß für ihn. Im Gegenteil, er schickte schließlich sogar den höchsten Würdenträger, den Kronprinzen und Vizeregenten Chingkim, um mir seine tiefempfundene Hochachtung zu übermitteln und mir zu meiner großen Leistung zu gratulieren. »Das jedenfalls soll ich Euch ausrichten«, sagte Chingkim auf seine übliche träg scherzhafte Weise. »In Wahrheit, meine ich, hat mein königlicher Vater mich hergeschickt, damit ich ein bißchen herumspioniere und nachsehe, ob Ihr nicht Banditen anführt, die das ganze Land plündern und brandschatzen.«
»Niemand hat es nötig zu plündern«, sagte ich eitel. »Warum den Leuten etwas aus der Tasche ziehen, das sie mit Freuden von selbst hergeben?«
»Jawohl, Ihr habt Eure Sache gut gemacht. Der Finanzminister Lin-ngan hat mir gesagt, aus Manzi fließe mehr Reichtum in das Khanat als selbst aus dem Persien meines Vetters Abagha. Da wir gerade bei der Familie sind: Kukachin und die Kinder lassen Euch und Hui-sheng gleichfalls grüßen. Nicht zu vergessen Euer ehrenwerter Vater Nicolô. Von ihm soll ich Euch ausrichten, daß der Zustand Eures Onkels Mafio sich so sehr gebessert hat, daß er von seiner Pflegerin sogar ein paar neue Lieder gelernt hat.«
Statt im Palast seines Halbbruders Agayachi abzusteigen, hatte er mir und Hui-sheng die hohe Ehre erwiesen, während seines Besuches bei uns zu wohnen. Da sie und ich die Leitung der Bohnen-Banken längst unseren Leuten überlassen hatten, frönten wir jetzt unendlichem Müßiggang wie die Adligen und konnten uns ganz darauf konzentrieren, unseren königlichen Gast zu unterhalten. An diesem Tag genossen nur wir drei, ohne auch nur einen einzigen Diener, eine merenda draußen auf dem Land. Hui-sheng hatte mit eigener Hand einen Korb mit Essen und Trinken vorbereitet, wir hatten unsere Pferde von der karwansarai holen lassen, wo wir sie untergestellt hatten, und dann waren wir über die Gepflasterte Allee, Die Sich lange Zwischen Riesenbäumen Dahin-windet und so weiter ein ganzes Stück aus Hang-zho hinausgeritten, hatten ein Tischtuch ausgebreitet und unter den Bäumen geschmaust, und Chingkim hatte mir von anderen Dingen erzählt, die sich hier und da in der Welt draußen abgespielt hatten.
»Jetzt führen wir Krieg in Champa«, sagte er so unberührt von dieser Tatsache, wie wenn ein Nichtmongole sagte: »Wir legen im Garten hinterm Haus einen Lotusteich an.«
»Das habe ich mir fast gedacht«, sagte ich. »Schließlich habe ich Truppen durchs Land ziehen und Transporte von Männern und Pferden den Großen Kanal herunterkommen sehen. Ich nehme an, Eurem königlichen Vater ist die Lust vergangen, sein Reich im Osten bis nach Jihpen-kwe auszudehnen, und er hat beschlossen, weiter nach Süden zu marschieren.«
»Dazu ist es eigentlich eher zufällig gekommen,« sagte er. »Die Yi in Yun-nan haben unsere Oberhoheit anerkannt. Nun gibt es aber in Yun-nan noch eine kleinere Volksgruppe, die Shan, die sich uns nicht haben unterwerfen wollen und daher in großer Zahl südwärts nach Champa ausgewandert sind. Deshalb hat der Wang von Yun-nan, mein Halbbruder Hukoji, eine Gesandtschaft nach Champa geschickt,
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