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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Gedanke, doch dann überlegte ich genauer. Ich hatte gesehen, wie Han Geld auf ihre zhi-pai-Karten setzten, auf die ma-jiang-Steinchen, selbst auf die feng-zheng, die Spielzeuge, die sie am Himmel fliegen ließen - und wie sie gierig, fiebrig, wie besessen dabei gewesenwaren. War es möglich, diese Besessenheit auf dieses eigentlich eher einfältige Spiel zu lenken? Wobei ich oder vielmehr das Kaiserliche Schatzamt -die Bank hielt?
    »Ben trovato!« murmelte ich. »Der Khakhan selbst hat es so genannt: unfreiwillige Wohltätigkeit!« Ich sprang auf, hob Huisheng in die Höhe und schloß sie begeistert in die Arme. »Vielleicht hast du den Notanker und die Hilfe für mich gefunden, die ich brauche. Sag mir, hast du dieses Spiel schon als Kind gelernt?«
    Ja, das habe sie. Vor einer Reihe von Jahren -nachdem die Mongolen ihr Dorf in Brand gesteckt und alle Erwachsenen erschlagen und sie und die anderen Kinder zu Sklaven gemacht hatten. Sie selbst war dann ausgewählt worden, zu einer lon-gya der Konkubinen gemacht zu werden, und ein shamàn hatte den Schnitt vorgenommen, woraufhin ihre ganze Welt stumm geworden war. Die alte Frau, die sie dann gesund gepflegt, hatte ihr dieses Spiel beigebracht, war es doch eines, das man spielen konnte, ohne darauf angewiesen zu sein, zu sprechen oder zu hören. Sechs Jahre sei sie damals wohl alt gewesen, meinte Huisheng.
    Ich schloß sie noch enger in die Arme.
    5

 
    Es dauerte keine drei Jahre, und ich galt als der reichste Mann von ganz Manzi. In Wahrheit war ich das selbstverständlich nicht, weil ich pünktlich und gewissenhaft all meinen Gewinn durch vertrauenswürdige mongolische Kuriere mit schwerbewaffneten Begleitern an das Kaiserliche Schatzamt in Khanbalik schickte. Im Laufe der Jahre schafften sie ein Riesenvermögen an Papiergeld und Münzen gen Norden, und soweit ich weiß, tun sie das heute noch.
    Hui-sheng und ich dachten uns einen Namen für das Spiel aus -Hua Dou Yin-hang, »Spreng die Bohnen-Bank« -, das auf Anhieb ein Erfolg war. Der Magistrat Fung, zuerst ungläubig, war bald völlig hingerissen von der Idee und berief eine Sondersitzung seines cheng ein, bloß um meinem Wagnis das Amtssiegel der Legalität aufzudrücken und -samt und sonders mit dem Chrysanthemenemblem Manzis versehen -Erfindung und Namen des Spiels zu schützen, damit niemand auf die Idee kam, mir Konkurrenz zu machen. Der Wang Agayachi, der anfangs Zweifel hegte, ob das Glücksspiel nicht gegen Anstand und gute Sitten verstoße -»Wer hätte jemals gehört, daß eine Regierung das Glücksspiel unterstützt?« -, sang bald sein Loblied und pries auch mich, indem er erklärte, ich hätte Manzi zum gewinnträchtigsten aller Reiche gemacht, die das Khanat sich einverleibt hätte. Auf alle anerkennenden Worte erklärte ich bescheiden und wahrheitsgemäß: »Nicht mein Verdienst ist es, sondern das meiner klugen und begabten Dame. Ich selbst bin nur der Schnitter - Sämann mit den goldenen Händen ist Huisheng.«
    Wir beide begannen das Wagnis mit einer so lächerlich geringen Investition, daß ein Fischhändler sich geschämt hätte, seinen Marktstand damit auszustatten. Unsere ganze Einrichtung bestand aus nichts weiter als einem Tisch und einer Tischdecke.
    Hui-sheng besorgte ein paar Ellen von leuchtendzinnoberrotem Stoff - bei Han wie Mongolen die Glücksfarbe -, stickte schwarz das viergeteilte Quadrat darauf und in die vier Kästchen hinein mit Goldfaden die Zahlen von eins bis vier. Dieses Tuch breiteten wir über einen Steintisch in unserem Garten. Sodann schickten wir sämtliche Diener und Dienerinnen aus, überall auf den Straßen und Gassen, den Kanälen und auf der Promenade am Fluß laut auszurufen: »Kommt, kommt alle, die ihr das Wagnis liebt! Setzt einen tsien und gewinnt einen liang! Kommt und sprengt die Bohnen-Bank! Macht, daß eure Träume wahr werden und eure Ahnen fassungslos die Hände heben. Rasch gewonnenes Glück erwartet jeden im Hause von Polo und Echo! Kommt alle herbei!«
    Sie kamen. Vielleicht kamen manche nur, um verstohlen einen Blick auf mich, den dämonenhaarigen Ferenghi werfen zu können. Einige mochten auch aus reiner Habgier kommen, um rasch ein Vermögen zusammenzuraffen, doch die meisten kamen nur, weil sie neugierig waren, was wir wohl zu bieten hätten, und manche schauten auch nur schnell auf dem Weg ganz woandershin vorbei. Aber sie kamen. Und obwohl die einen und die anderen sich lustig machten und uns verhöhnten »Ein Spiel für Kinder!« -, alle

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