Marco Polo der Besessene 2
ganze Reihe von Fleischarten zur Auswahl, unter anderem auch das des illik, eines zwergwüchsigen Rehs, das wie ein Hund bellt, und das eines bezaubernden goldgefiederten Fasans sowie Stücke vom Yak, ja sogar das Fleisch von Schwarz-und Braunbären, von denen es hier sehr viele gibt. Übernachteten wir im Freien, wetteiferten Onkel Mafìo und die beiden Mongolen damit, uns mit Wildbret zu versorgen: Enten und Gänse und Kaninchen und einmal sogar eine Wüsten-quazel; für gewöhnlich waren sie jedoch insbesondere hinter Erdhörnchen her, da diese kleinen Geschöpfe die Freundlichkeit besitzen, das nötige Brennmaterial gleich mitzuliefern. Jeder Jäger weiß: Wenn es weder kara noch Holz noch getrockneten Dung gibt, um ein Feuer zu unterhalten, muß er nach Erdhörnchen und ihren Bauen suchen; denn selbst mitten in der Wüste schaffen sie es irgendwie, einen kleinen Haufen vorzüglich brennender Zweige und Gräser über ihrem Bau aufzuschichten, um sich vorm Wetter zu schützen.
Es gab eine ganze Menge wilder Tiere in dieser Region, die man zwar nicht essen konnte, die aber interessant zu beobachten waren. Da gab es schwarze Geier mit Schwingen so groß, daß man gute drei Schritte machen mußte, um von einer Flügelspitze der ausgebreiteten Schwingen zur anderen zu gelangen; außerdem eine Schlange, die so sehr nach einem gelben Metall aussah, daß ich geschworen hätte, sie bestünde aus geschmolzenem Gold; da man mir jedoch gesagt hatte, sie sei außerordentlich giftig, habe ich nie eine angefaßt, um das herauszufinden. Des weiteren gab es ein kleines yerbo genanntes Geschöpf, ähnlich wie eine Maus, nur mit ganz ungewöhnlich langen Hinterbeinen und Schwanz, aufwelchen drei Stützen es imstande war, aufrecht zu hüpfen; und eine hinreißend schöne Wildkatze namens palang, die ich einmal dabei beobachtete, wie sie einen von ihr zur Strecke gebrachten Wildesel verzehrte; diese Katze sah wie der Wappenpardel aus, nur besaß sie kein gelbes, sondern ein silbergraues und schwarzgetüpfeltes Fell.
Die Mongolen lehrten mich, verschiedene Wildpflanzen als Gemüse zu suchen -Wildzwiebeln zum Beispiel, die zu jeder Art Wild so vorzüglich schmecken. Außerdem ein Gewächs, daß sie Haarpflanze nannten und das in der Tat aussah wie der Haarschopf eines Menschen. Weder der Name noch der Anblick waren sonderlich appetitanregend, doch gekocht und mit etwas Essig gewürzt, ließ sich daraus eine köstliche säuerliche Beilage bereiten. Noch etwas Absonderliches war das, was sie Gemüse-Lamm nannten; sie behaupteten steif und fest, es handele sich in der Tat um einen Zwitter, entstanden aus der Paarung eines Tieres mit einer Pflanze - und sie behaupteten, es lieber zu essen als ein richtiges Lamm. Es schmeckte zwar ganz gut, doch handelte es sich in Wirklichkeit nur um die wollige Wurzelknolle eines bestimmten Farns.
Das einzig ungewöhnlich köstlich Neue, das ich auf diesem Abschnitt unserer Reise kennenlernte, war eine herrliche, hami genannte Melone. Selbst die Art und Weise, wie man sie anbaute, war neu für mich. Sobald die ersten Fruchtansätze an den Ranken sichtbar werden, pflasterten die Melonenbauern das ganze Feld mit Schieferplatten, auf denen die Ranken ruhen sollen. Statt daß die Melonen nur an der Oberseite von der Sonne beschienen wurden, reflektierten diese Schieferplatten die Sonnenwärme dergestalt, daß die hami schließlich rundherum gleichmäßig reiften. Das Fruchtfleisch der hami ist grünlichweiß, so knackig fest, daß es krachte, wenn man hineinbiß, und dabei überaus saftig. Der Saft schmeckte kühl und erfrischend und war nicht widerlich süß, sondern von einer eher säuerlichen Süße, die gerade richtig war. Überhaupt hat die hami einen Geschmack und einen Duft, der ganz anders war als der anderer Früchte, schmeckte selbst in gedörrtem Zustand als Reiseproviant immer noch ganz vorzüglich und wird nach meiner Erfahrung von keiner anderen Frucht übertroffen.
Nachdem wir etwa zwei oder drei Wochen unterwegs waren, bog die Seidenstraße für eine Zeitlang unversehens nach Norden ab. Dieser Abschnitt ist der einzige Teil, der durch die Takla Makan hindurchführt -und zwar durch den östlichsten Ausläufer dieser Wüste. Danach geht es plötzlich wieder nach Osten auf eine Stadt Dun-huang zu. Diese kurze Nordroute führte uns über einen Paß, der durch etliche niedrige Berge ging. In Wirklichkeit handelte es sich bei diesen Flammen-Hügel genannten Bergen um außergewöhnlich hohe
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