Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
meinen Reisen hatte ich zahlreiche andere Rassen und Völker kennengelernt, ehe ich die von Indien besuchte. Ich war zu dem Schluß gekommen, daß die Mien als Abfall der To-Bhoter Bho die niedrigst stehenden Menschen überhaupt seien, und mich damit geirrt. Wenn die Mien den Bodensatz der Menschheit darstellten, dann die Hindus die Würmer, die darin ihre Gänge bauen. In einigen der zuvor von mir besuchten Ländern hatte ich nicht umhin können zu bemerken, daß einige Menschen andere verachteten und verabscheuten -ihrer anderen Sprache, ihrer mangelnden Verfeinerung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer niedrigeren Gesellschaftsschicht oder aber ihrer besonderen Lebensweise oder Religion wegen. In Indien jedoch war unübersehbar, daß jeder einfach jeden verachtete und verabscheute, und zwar genau aus diesen Gründen.
    Ich möchte nicht ungerecht sein und daher sagen, daß ich von Anfang an in einem kleinen Irrtum befangen war. Ich war nämlich der Meinung, alle Inder wären Hindus. Tofaa klärte mich darüber auf, daß »Hindu« nur ein anderer Name für »Indien« sei, sich aber recht eigentlich nur auf jene Inder beziehe, welche der Hindureligion des Sanutana Dharma oder der Ewigen Pflicht anhingen. Diese zögen es vor, sich würdevoll als »Brahmanen« zu bezeichnen, und zwar nach dem obersten Gott (Brahma der Schöpfer) der drei Hauptgötter (wobei die anderen beiden Vishnu der Bewahrer und Siva der Zerstörer) ihrer vielen, vielen Götter waren. Andere Hindus hätten sich aus dieser Menge irgendeinen minderen Gott -Varuna, Krishna, Hanuman, gleich wen -ausgesucht und verehrten insbesondere diesen, was sie in ihren eigenen Augen aus der Masse der Hindus heraushebe und überlegen mache. Viele andere hätten sich der aus dem Norden und Westen hereindringenden muslimischen Religion angeschlossen, aber nur noch sehr wenige Inder seien Buddhisten. Dabei sei der Buddhismus ursprünglich in Indien entstanden und habe dann sehr große Verbreitung gefunden, sei in seiner Heimat jedoch so gut wie ausgestorben, was vielleicht daran liege, daß der Buddhismus Wert auf Sauberkeit lege. Noch andere Inder hingen anderen Religionen oder Sekten oder Kulten an: Jain, Sikh, Yoga, Zarduchi. Doch so verwirrend auch die Religionsvielfalt und die überraschenden Überschneidungen, welche die Verwirrung noch größer machten -eine heilige Eigenschaft sei allen Indern gemeinsam: daß die Anhänger einer Religion die Anhänger jeder anderen verabscheuten und verachteten.
    Den Indern mißfiel aber auch, durch die Bank als »Inder« bezeichnet zu werden. Sie stellen einen brodelnden und trotzdem immer noch getrennte Bestandteile bewahrenden Kessel aller möglichen Völker dar, oder zumindest behaupteten sie das. Da gab es die Cholas, die Arier, die Sindi, Bhils, Bengali, Gonds… was weiß ich wie viele! Die hellhäutigeren Inder bezeichneten sich selbst als »weiß« und behaupteten, von blonden, helläugigen Ahnen abzustammen, die weit aus dem Norden gekommen wären. Wenn das wirklich wahr ist, muß es viele Mischungen gegeben haben, denn die dunkleren braunen und schwarzen Völker des Südens hatten sich im Laufe der Jahrhunderte durchgesetzt -so wie Schlamm sich durchsetzt, wenn man ihn in Milch gießt -, und so stellten alle Inder nunmehr Schattierungen und Nuancen von Schlammigbraun dar. Keine dieser Hautfarben war es wert, besonders stolz auf sie zu sein, und die völlig unbedeutenden Unterschiede dienten nur noch als zusätzlicher Grund, sich gegenseitig zu verabscheuen. Die Hellbrauneren konnten verächtlich auf die Dunkelbraunen herabblicken und diese wieder auf die unbezweifelbar Schwarzen.
    Außerdem sprachen die Inder je nach Volks- und Stammeszugehörigkeit, Familienabstammung, Herkunftsort und dem Ort, wo man augenblicklich lebte, einhundertneunundsiebzig verschiedene Sprachen, von denen kaum zwei einander soweit ähnelten, daß ihre Sprecher sich gegenseitig verstehen und verständigen konnten. Jede Sprache wurde von denen, die sie sprachen, als Die Eine Wahre und Heilige Sprache angesehen (obwohl nur wenige davon sich je die Mühe machten, sie lesen und schreiben zu lernen, falls es denn überhaupt eine Schrift oder Schriftzeichen oder ein Alphabet gab, womit man sie schriftlich hätte festhalten können; das war nur bei wenigen der Fall), und die Sprecher jeder Wahren Sprache verachteten und verunglimpften diejenigen, die eine Falsche Sprache sprachen, das heißt jede von einhundertundachtundsiebzig anderen.
    Gleich

Weitere Kostenlose Bücher