Marco Polo der Besessene 2
Einwohner von Kuddalore leben mußten -kein einziges war solider oder eleganter gebaut als die Dschungelhütten der Mien in Ava -, war ich eigendlich ganz dankbar, daß es kein dak bangla für uns gab, denn etwas, das ohnehin nur für Durchreisende gedacht war, hätte ja kaum etwas anderes als ein Schweinestall sein können. Viel mehr war das Haus unseres Gastgebers auch nicht -aus Lehmziegeln errichtet und mit Kuhmist beworfen -, wie wir erkannten, als wir draußen warten mußten, während er im dunklen Inneren verschwand. Nach kurzem Warten traten Tofaa und ich wie angewiesen näher, und sie pochte an den morschen Türrahmen. Was dann geschah, berichte ich so, wie Tofaa es mir hinterher dolmetschte.
Derselbe Mann tauchte auf der Schwelle auf und warf den Kopf in den Nacken, um uns hochmütig zu mustern. Diesmal redete Tofaa ihn nur unterwürfig murmelnd an.
»Was? Fremde?« blaffte er sie so laut an, daß man ihn auch noch am Landesteg unten gehört haben muß. »Pilger auf der Wanderschaft? Nein, hier bestimmt nicht! Es ist mir gleichgültig, Frau, ob Ihr der brahmanischen jati angehört! Ich gewähre doch nicht jedem hergelaufenen Fremden Unterkunft, und ich gestatte meiner Frau nicht…«
Nicht nur, daß das Geblaff kurzerhand abgeschnitten wurde, auch er selbst verschwand vollständig mit einer Seitwärtsbewegung jenseits der Tür, als ein fleischiger, braunschwarzer Arm ihn beiseite fegte. An seiner Stelle tauchte eine dicke braunschwarze Frau auf, schenkte uns ein freundliches Lächeln und sagte honigsüß:
»Pilger auf der Durchreise? Und sucht ein Bett und eine Mahlzeit? Nun, tretet doch ein. Kümmert Euch nicht um diesen Wicht von Ehemann. Im Reden ist er groß, doch nur darin, darin ganz allein spielt er den großen Herrn. Tretet ein, tretet ein!«
So kam es, daß Tofaa und ich unser Bündel ins Haus tragen und gezeigt bekamen, wo wir es in der Schlafkammer ablegen konnten. Der mit Kuhmist verputzte Raum wurde zur Gänze von vier Betten eingenommen ähnlich den hindora-Betten, die ich andernorts kennengelernt hatte, nur nicht so gut. Bei einer hindora handelte es sich um eine Lagerstatt, die an Seilen von der Decke herunterhing, doch diese Art Bett hier, die palang genannt wurde, war nichts weiter als eine Art aufgeschlitzte Stoffröhre oder ein an einer Seite aufgeschnittener Sack, dessen beide Enden mit Stricken an den Wänden befestigt waren und dazwischen hin-und herschwang. Zwei palangs enthielten einen Schwarm nackter schwarzbrauner Kinder, die von der Mutter jedoch genauso ohne viel Federlesens fortgescheucht wurden wie der Ehemann. Sie machte deutlich, daß wir im selben Raum mit ihr und ihm schlafen sollten.
Wir gingen hinüber in den anderen der beiden Räume, aus denen die Hütte bestand, und die Frau scheuchte die Kinder noch weiter, hinauf auf die Straße, und bereitete dann ein Mahl für uns. Als sie uns schließlich jedem ein Holzbrett reichte, erkannte ich das Essen darauf -oder vielmehr erkannte ich, daß die Speise zur Hauptsache aus der schleimigen kàri-Sauce bestand, die ich zum ersten Mal vor langer Zeit im Hochland von Pai-Mir gekostet hatte. Kàri war das einzige Wort, an das ich mich aus jener Zeit erinnere, da ich bereits einmal mit Männern gereist war, die dem Volk der Chola angehört hatten. Wie ich mich erinnerte, hatten diese anderen braunschwarzen Männer zumindest ein bißchen mehr Unternehmungsgeist besessen als mein augenblicklicher Gastgeber. Allerdings waren auch keine Chola-Frauen dabeigewesen.
Da dieser Mann und ich uns nicht unterhalten konnten, hockten wir uns einfach nebeneinander, verzehrten unser wenig appetitanregendes Mahl und nickten uns ab und zu freundlich zu. Ich muß genauso wie ein geduckter und an die Wand gedrückter zerbino gewirkt haben wie er, denn beide hockten wir stumm und wie die Mäuschen an unserem Essen herumknabbernd da, während die beiden Frauen schrillstimmig miteinander redeten und -wie Tofaa mir später berichtete -Bemerkungen über die allgemeine Wertlosigkeit der Männer austauschten.
»Es ist wohl gesagt«, meinte die Frau des Hauses, »daß ein Mann nur dann ein Mann ist, wenn er von wütender Leidenschaft erfüllt ist und nicht jedes Ungemach ergeben hinnimmt. Aber gibt es denn etwas Verächtlicheres und Bemitleidenswerteres« -bei diesen Worten fuhrwerkte sie mit ihrem Holzbrett in der Luft herum und zeigte auf ihren Mann -»als einen schwachen Mann, der in Wut gerät?«
»Es ist wohl gesagt«, sagte Tofaa von sich aus,
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