Marco Polo der Besessene 2
Übertretung mißfällt und er die Pferde in Besitz nimmt, habe ich jedes Recht, ihm den Krieg zu erklären und mich seiner Gebiete zu bemächtigen. Fängt er sie jedoch ein und übergibt sie wieder an mich -was er bis jetzt jedes Jahr getreulich getan hat -, dann ist das für mich ein Zeichen seiner Unterwerfung, und die ganze Welt weiß, daß ich über ihm stehe.«
Wenn dieser kleine Raja dem anderen überlegen war, zu diesem Schluß kam ich, als das Essen sich seinem Ende näherte, dann konnte ich froh sein, nicht den anderen kennengelernt zu haben. Denn dieser verkündete das Ende des Banketts, indem er sich zur Seite neigte, eine seiner Gesäßbacken anhob und prustend, vernehmlich und stinkend einen fahren ließ.
»Seine Hoheit furzen!« blökten Rufer und Glückwünscher, so daß ich noch mehr zusammenfuhr, als ich es ohnehin schon getan hatte. »Das Essen war gut, die Mahlzeit annehmbar, und die Verdauung Seiner Hoheit ist immer noch superb, ein leuchtendes Beispiel für uns alle!«
Ich hegte nur noch geringe Hoffnung, daß dieser eingebildete Affe mir bei meinem augenblicklichen Vorhaben noch eine Hilfe sein könnte. Doch als wir uns an einem Tisch niederließen und lauwarmen cha aus juwelenstrotzenden, doch leicht fehlgeformten Schalen tranken, berichtete ich dem kleinen Raja und dem Meister Khusru, was mich hierhergebracht hatte, sagte ihnen, worum es mir gehe, und schloß: »Wenn ich recht unterrichtet bin, Hoheit, war es einer von Euren Perlentaucheruntertanen, der den Zahn Buddhas erworben hat, weil er hoffte, er möchte seinen Perlentauchern eine große Ausbeute gewähren.«
Wie nicht anders zu erwarten, nahm der kleine Raja die Geschichte als eine Überlegung, die seine eigene Person, den Hinduismus und die Hindus ganz allgemein betraf.
»Es bekümmert mich«, sagte er leise, »daß Ihr andeuten wollt, Marco-wallah, einer meiner Untertanen könne diesem Körperteil einer fremden Gottheit übernatürliche Kräfte beimessen. Jawohl, ich bin bekümmert, daß Ihr annehmen könnt, irgendein Hindu habe so wenig Zutrauen zu seiner eigenen, kraftvollen Religion, dem Glauben seiner Väter und dem Glauben seines wohlwollenden Rajas.«
Beschwichtigend sagte ich: »Zweifellos hat der neue Besitzer des Zahns seinen Irrtum inzwischen eingesehen und findet ihn keineswegs mit Zauberkraft begabt. Als guter Hindu würde er ihn vermutlich ins Meer werfen, nur daß es ihn einige Zeit und vielleicht einige Ungewißheit gekostet hat, ihn an sich zu bringen. Deshalb wäre er bei einem angemessenen Tauschangebot vielleicht froh, ihn loszuwerden.«
»Und ob er ihn loswerden wird!« versetzte der kleine Raja bissig. »Ich werde eine Verlautbarung herausgeben, daß er herzukommen und den Zahn abzuliefern hat -und sich selbst dem karavat auszuliefern.«
Ich wußte zwar nicht, was ein karavat war, doch Meister Khusru wohl, denn dieser meinte sanft: »Das, Hoheit, wird kaum jemand antreiben, mit dem Zahn herzukommen.«
»Bitte, Hoheit«, sagte ich. »Stellt bitte keinerlei Forderungen und gebt auch keine Drohungen von Euch; veröffentlicht nur eine überzeugende Bitte und mein Angebot einer Belohnung.«
Der kleine Raja brummte zwar noch eine Zeitlang, doch dann sagte er: »Ich bin bekannt als ein Raja, der immer sein Wort hält. Wenn ich eine Belohnung aussetze, wird sie auch bezahlt.« Mich von der Seite ansehend, sagte er: »Ihr bezahlt sie?«
»Ganz gewiß, Hoheit, und zwar höchst großzügig.«
»Sehr wohl. Und dann werde ich mein bereits gegebenes Wort halten. Das Versprechen der karavat.«
Ich wußte nicht, ob ich wegen irgendeines ahnungslosen Perlentauchers Einwände erheben sollte. Doch ehe ich das überhaupt konnte, rief der Raja wieder seinen Palastverwalter und sprach raschzüngig auf ihn ein. Der Mann verließ im Krebsgang den Saal, woraufhin der Raja sich wieder mir zuwandte. »Der Aufruf wird sogleich überall in meinem Reich laut verlesen werden: Bringt den Heidenzahn und empfangt eine großzügige Belohnung. Das wird schon den gewünschten Erfolg zeitigen, das kann ich Euch versprechen, denn mein Volk
besteht aus lauter redlichen, verantwortungsbewußten und frommen Hindus. Nur könnte es eine Weile dauern, denn die Perlentaucher segeln ständig zwischen ihren Küstendörfern und den Reptilienbänken hin und her.«
»Ich verstehe, Hoheit.«
»Ihr seid mein Gast -und die Frau auch -, bis der Zahn
gefunden ist.«
»Euer dankbarer Diener, Hoheit.«
»Dann wollen wir jetzt langweilige Geschäfte
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