Marco Polo der Besessene 2
und nüchterne Sorge fahren lassen«, sagte er und wusch sich symbolisch die Hände. »Es sollen Frohsinn und Freude herrschen wie auf dem Platz draußen. Rufer, bringt mir die Unterhalter!«
Dies nun war die erste Darbietung: ein betagter und unglaublich schmutziger, braunschwarzer Mann, dessen dhoti so zerrissen war, daß es schon fast unanständig war, kam trübsinnig in den Raum hereingeschlurft und streckte sich bäuchlings vor dem Raja aus. Meister Khusru murmelte hilfreich zu mir gewendet:
»Was wir in Persien einen darwish nennen, einen heiligen Bettelmönch, den man hierzulande naga nennt. Er wird etwas vorführen, um ein Stück Brot zum Abendessen und ein paar Kupfermünzen zu bekommen.«
Der Bettler begab sich an eine freigemachte Stelle, stieß einen heiseren Ruf aus, und ein genauso abgerissener und verdreckter Junge kam samt einer Rolle herein, die aus Tuch oder Seil zu bestehen schien. Als die beiden das Bündel ausrollten, zeigte sich, daß es sich um eines der palang-Schaukelbetten handelte, dessen beide Enden in kleinen Messingschalen endeten. Der Junge streckte sich auf dem Boden in der palang aus: der uralte naga kniete nieder, schob sich die beiden Messingschalen auf die Augäpfel und zog dann die verwitterten schwarzen Augenlider darüber. Ganz langsam stand er auf und hob den Jungen in der palang vom Boden in die Höhe - ohne die Hände oder Zähne oder irgend etwas anderes als seine Augäpfel dazu zu benutzen -, dann schwenkte er den Jungen leise hin und her, bis der Raja sich endlich bemüßigt sah zu klatschen. Khusru und Tofaa und ich folgten höflich seinem Beifall, und wir Männer warfen dem alten Bettler ein paar Kupfermünzen hin.
Als nächstes betrat ein dralles, untersetztes dunkelbraunes nach-Mädchen den Speisesaal und tanzte für uns genauso schwunglos und träge wie die Frau, die ich beim Krishna-Fest hatte tanzen sehen. Die einzige Begleitmusik war das Geklirr einer ganzen Säule von goldenen Armreifen, die sie vom Handgelenk bis zur Schulter nur eines Armes trug -und sonst war sie nackt. Ich war nicht sonderlich hingerissen -mich mutete es so an, als stampfte Tofaa mit ihren schmutzigen Füßen auf und schwenkte ihren vertrauten buschigen kaksha -, doch der kleine Raja kicherte und schnaufte und sabberte die ganze Zeit über und applaudierte begeistert, als die Frau sich zurückzog.
Dann kehrte der zerlumpte und dreckige alte Bettelpriester zurück. Sich die durch die Vorstellung mit der palang zum Vorquellen gebrachten und geröteten Augen reibend, hielt er vor dem kleinen Raja eine kurze Ansprache.
Dieser drehte sich zu mir um und erklärte:
»Der naga sagt, er ist ein Yogi, Marco-wallah. Die Anhänger der Yoga-Sekte verstehen sich auf viele sonderbare und geheime Künste. Ihr werdet sehen. Wenn Ihr, wie ich argwöhne, insgeheim doch glaubt, wir Hindus wären zurückgeblieben oder seien Nichtskönner, so werdet Ihr jetzt eines Besseren belehrt werden, denn Ihr werdet Zeuge eines Wunders werden, das nur ein Hindu Euch vorführen kann.« Dann rief er den wartenden Bettler an: »Welches Yoga-Wunder willst du uns zeigen, O Yogi? Wirst du dich einen Monat vergraben und lebendig wieder ausgraben lassen? Wirst du ein Seil dazu bringen, ohne Hilfe zu stehen, und daran hinaufklettern und im Himmel entschwinden? Wirst du deinen Helfer, den Jungen, in Stücke schneiden und dann wieder zusammensetzen? Oder wirst du
zumindest frei in der Luft für uns schweben, Oh, heiliger Yogi?«
Mit leiser krächzender Stimme fing der hinfällige alte Mann zu sprechen an, doch klang, was er sagte, sehr ernst, als mache er eine bedeutsame Ankündigung. Dazu gestikulierte er heftig. Der kleine Raja und der Musikmeister lehnten sich vor, um aufmerksam zuzuhören, so daß es jetzt Tofaa oblag, mir zu erklären, was vorging. Sie schien froh, dies tun zu dürfen, denn sie sagte eifrig:
»Es wird ein Wunder sein, das Ihr wahrscheinlich genau untersuchen möchtet, Marco-wallah. Der Yogi erklärt, er habe eine umwälzend neue Art erfunden, surata mit einer Frau zu machen. Statt daß sein linga im Augenblick des Höhepunktes seinen Saft herausspritzt, wird er das ganze nach innen hineinsaugen. Dadurch führt er sich die Lebenskraft der Frau zu, ohne irgend etwas von der eigenen zu verschwenden. Er behauptet, seine Entdeckung stelle nicht nur etwas phantastisch Neues dar, sondern ständige Übung könnte einem Mann soviel Lebenskraft eintragen, daß er ewig lebt. Hättet Ihr nicht Lust, diese Fähigkeit
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