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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Kuh.«
    Um das Thema zu wechseln, wandte ich mich an den vierten an unserer Tafel, einen Mann meines Alters, gleich mir bärtig und unterm Bart, wie mir schien, eher braun als schwarz von Hautfarbe. »Dann seid Ihr vermutlich der erfinderische Musiker, nicht wahr, Meister…«
    »Musikmeister Amir Khusru«, sagte der kleine Raja, der hier offenbar Besitzansprüche anzumelden hatte. »Meister der Melodien, aber auch der Tänze und der Poesie, ein Mann, der sich vortrefflich auf das Verfassen von freizügigen Ghaselen versteht, kurz, eine Leuchte meines Hofes.«
    »Der Hof Seiner Hoheit ist gesegnet«, krähten die an der Wand stehenden Rufer und Glückwünscher, »gesegnet vor allem aber durch Seine Hoheit selbst,« wobei der Musikmeister nur tadelnd vor sich hin lächelte.
    »Ich habe bis jetzt noch nie ein Musikinstrument mit Metallsaiten gesehen«, sagte ich und fuhr, nachdem Tofaa -die jetzt die Bescheidenheit in Person war -gedolmetscht hatte, fort: »Ja, bisher habe ich mir Hindus überhaupt nicht als die Erfinder von etwas so Gutem und Nützlichem vorstellen können.«
    »Ihr Abendländer«, sagte der kleine Raja ärgerlich, »trachtet immer danach, Gutes zu tun. Wir Hindus hingegen trachten danach, gut zu sein -eine unendlich viel höherstehende Haltung dem Leben gegenüber.«
    »Dennoch«, sagte ich, »bewirkt diese neue Hindu-sitar einfach Gutes. Ich beglückwünsche Euer Hoheit und Euren Meister Khusru.«
    »Nur, daß ich kein Hindu bin«, sagte der Musikmeister auf farsi leicht amüsiert. »Ich bin Perser von Geburt. Der Name, den ich der sitar gegeben habe, stammt aus dem Farsi, wie ihr vielleicht schon bemerkt habt. Si-tar. dreifach besaitet. Eine Saite aus Stahl, zwei aus Messing.«
    Offensichtlich fuchste es den kleinen Raja, daß ich erfahren hatte, daß die sitar gar keine Hinduerfindung war. Nun war mir daran gelegen, ihn in eine gute Stimmung zu versetzen, doch fragte ich mich nachgerade, ob es überhaupt ein Thema gab, über das man sich unterhalten konnte, ohne die Hindus grobschlächtig oder subtil herabzuwürdigen. Ich fing an, das Essen zu loben, das man uns vorgesetzt hatte. Es handelte sich um irgendeine Art Wildbret, wie immer in Unmassen von kàri-Sauce ertränkt, nur, daß dieses kàri jedenfalls eine leicht goldgelbe Färbung aufwies und etwas besser schmeckte, was allerdings nur an der Beimengung von Gilbwurz lag, einem minderwertigen Ersatz für zafràn.
    »Fleisch vom viergehörnten Hirsch ist das«, sagte der kleine Raja, als ich ihm dazu Komplimente sagte. »Eine Delikatesse, die wir nur unseren geehrtesten Gästen vorsetzen.«
    »Es ist mir eine Ehre«, sagte ich. »Ich dachte nur, Eure Hindureligion verbiete Euch die Jagd auf Wild. Da bin ich zweifellos falsch unterrichtet.«
    »Nein, nein, man hat Euch durchaus das Richtige gesagt«, erklärte der kleine Raja. »Nur gebietet unsere Religion uns auch, klug zu sein.« Er zwinkerte mir unverhohlen zu. »Daher habe ich sämtlichen Bewohnern von Kumbakonam befohlen, heiliges Wasser aus den Tempeln zu holen, in die Wälder zu ziehen und sie mit dem heiligen Wasser zu besprengen -und laut dabei zu erklären, daß sämtliche Tiere des Waldes fürderhin Opfer für die Götter seien. Das erlaubt uns, Jagd auf sie zu machen, versteht Ihr - jedes erlegte Tier ist ein stillschweigendes Opfer -und selbstverständlich geben unsere Jäger den Tempel-sadhus stets eine Lende oder etwas Ähnliches ab, damit diese sich nicht dadurch unbeliebt machen, daß sie erklären, wir gäben irgendeinem heiligen Text eine falsche Deutung.«
    Ich seufzte auf. Es war unmöglich, irgendein unverfängliches Thema anzuschneiden. Wenn ich die Hindus nicht mittelbar oder unmittelbar herabwürdigte, zogen sie sich selbst in Zweifel. Doch ich unternahm einen neuerlichen Versuch.
    »Ziehen die Jäger Eurer Hoheit hoch zu Pferde auf die Jagd? Ich frage, weil ich mir vorstellen könnte, daß Euch einige Pferde aus den königlichen Marställen davongelaufen sind. Die Dame Tofaa und ich begegneten einer ganzen Herde, die auf der anderen Seite des Flusses dahinstürmte.«
    »Ach, dann seid Ihr meiner aswamheda begegnet!« rief er, plötzlich wieder überaus herzlich. »Die aswamheda ist auch so etwas, das ich mir klug ausgedacht habe. Ein Rivale von mir, ein anderer Raja, wißt Ihr, hält die Provinz auf der anderen Seite des Kolerun-Flusses in Besitz. Deshalb laß ich meine Stallburschen bewußt jedes Jahr einmal eine Pferdeherde hinübertreiben. Wenn diesem Raja diese

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