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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zu heiraten, geht man davon aus - schließlich ist sie noch ein Kind
    , daß sie nicht weiß, wie eine Ehe vollzogen wird. Deshalb bringen ihre Eltern sie hierher und übergeben sie der Obhut eines weisen und freundlichen sadhu. Der geht mit dem Mädchen außen um den Tempel herum, weist sie auf diese und jene Skulptur hin und erklärt ihr behutsam, um was es geht; was immer ihr Gatte dann in der Hochzeitsnacht mit ihr macht, es kann sie nicht erschrecken, Marco-wallah. Da ist der gute sadhu übrigens. Gebt ihm ein paar Kupferlinge, Marco-wallah, und er wird uns führen. Ich werde Euch auf farsi wiederholen, was er uns erzählt.«
    Für meine Begriffe handelte es sich bei dem Priester einfach um einen der vielen schwarzen, dreckigen, ausgemergelten Hindus in den üblichen schmutzigen dhoti und tulband und nichts weiter. Ich wäre kaum auf den Gedanken gekommen, ihn nach dem Weg zu fragen. Auf jeden Fall hätte ich nie eine kleine und ängstliche Kinderbraut seiner Obhut überlassen. Er mußte sie ja mehr erschrecken als irgend etwas, das ihr in der Hochzeitsnacht zustoßen konnte.
    Aber vielleicht doch nicht. Ging man nach den Tempelskulpturen, gab es eben doch ein paar erstaunliche Dinge, die ihr in der Hochzeitsnacht widerfahren konnten. Als der sadhu uns auf dieses und jenes hinwies, dabei lüstern kicherte und sich die Hände rieb, sah ich Paarungsakte wiedergegeben, von denen ich nicht gewußt hatte, daß es sie gab, bis ich nicht selbst ein gewisses Alter erreicht und Erfahrungen gemacht hatte. Die steinernen Männer und Frauen vereinigten sich in jeder erdenklichen Stellung und Verrenkung und Kombination und auf die unterschiedlichste Weise, wie ich sie - selbst in meinem Alter, heute -nie gewagt hätte auszuprobieren. Fast jeder der hier in Stein vorgeführten Akte -hätte jemand, auch ein gültig getrautes Paar, in christlichen Landen sie ausgeführt -wäre Anlaß für Mann und Frau, hinterher gleich zu ihrem Beichtvater zu laufen. Und wenn es ihnen gelänge, diesen Akt hinreichend genau zu beschreiben und dem Priester zu erzählen, würde zweifellos er hinterher davonwanken und Buße von seinem Beichtvater erbitten.
    Ich sagte: »Zugegeben, Tofaa, ein Mädchen, das kaum dem Kindesalter entwachsen ist, muß vielleicht den natürlichen Akt des surata-Machens mit dem neuen Gatten über sich ergehen lassen. Aber wollt Ihr mir sagen, daß sie in all diesen wilden Variationen bewandert sein muß?«
    »Nun, jedenfalls wird sie eine bessere Ehefrau, wenn sie es ist. In jedem Falle sollte sie jedoch auf alle möglichen Vorlieben gefaßt sein, die ihr Gatte vielleicht hegt. Sie ist ein Kind, jawohl, aber er kann sehr wohl ein reifer, sehr sinnlicher und erfahrener Mann sein. Allerdings auch ein sehr alter Mann, der schon seit langem auf den natürlichen Akt hat verzichten müssen und jetzt nach etwas Neuem lechzt.«
    Da ich selbst mein Lebtag von einer unstillbaren Neugierde bin, war ich kaum geeignet, anklagend den Finger zu erheben oder mich lustig zu machen über das, was andere Menschen oder andere Völker auf diesem Gebiete taten. So folgte ich denn nur dem genüßlich lächelnden sadhu um den Tempel, wo er gestikulierte und redete und redete; ich stieß auch keinen überraschten oder entsetzten Aufschrei aus, als Tofaa erklärte:
    »Hierbei geht es um adharottara, den auf den Kopf gestellten Akt, hier um viparita surata, den widernatürlichen Akt…« Ich betrachtete die Skulpturen von einem ganz anderen Standpunkt und sann über einen ganz anderen Aspekt nach.
    Die Bildwerke mochten einen prüden Betrachter entsetzen, doch selbst der unduldsamste konnte nicht leugnen, daß es sich um vorzügliche, wunderschön ausgeführte und äußerst verschlungene Kunstwerke handelte. Das offenkundig Dargestellte war unzüchtig, ja, weiß Gott sogar obszön, doch die daran beteiligten Männer und Frauen trugen alle ein glückliches Lächeln zur Schau und waren offenbar mit Lust und Begeisterung bei der Sache. Sie genossen es ganz rundheraus.
    Infolgedessen brachten die Skulpturen sowohl großes Können auf bildhauerischem Gebiete als auch eine unglaubliche Lebenslust zum Ausdruck. Was ich hier sah, paßte so gar nicht zu den Hindus, wie ich sie kennengelernt hatte: dumm und albern in allem, was sie taten -freudlos dabei, irgend etwas und wenn schon, dann möglichst wenig zu tun.
    Ein Beispiel für ihre Rückständigkeit: im Gegensatz zu den Han, deren Historiker seit Tausenden von Jahren auch noch das kleinste Ereignis in

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