Marco Polo der Besessene 2
sie nur bei ruhiger See und ungehinderter Sicht. So blieb unsere Flotte in der Mündung des Jakarta-Flusses liegen, wo der Regen mit einer solchen Stetigkeit und Macht fiel, daß Jawa unsern Blicken vollständig entzogen wurde. Doch daß die Insel immer noch da war, wußten wir, weil wir jeden Morgen bei Tagesanbruch vom Geschnatter und Gezeter der Affen in den Kronen der Dschungelbäume geweckt wurden. Schlimm war es eigentlich nicht, hier festzusitzen -unsere Ruderer brachten uns frisches Schweinefleisch und Geflügel, Früchte und Gemüse vom Land, um unsere Vorräte an geräuchertem und eingepökeltem Proviant zu ergänzen. Außerdem standen uns viele Gewürze zur Verfügung, um Abwechslung in unser Essen zu bringen -nur wurde die Warterei nachgerade sehr langweilig.
Immer, wenn ich es nicht mehr aushalten konnte, nichts weiter zu sehen als das Hafenwasser, das in die Höhe sprang, um dem Regen entgegenzukommen, ließ ich mich an Land rudern, doch was ich dort zu sehen bekam, war nicht wesentlich besser. Die Bewohner Jawas waren recht hübsch anzusehen -klein und wohlproportioniert sowie von goldener Haut, gingen Männer wie Frauen bis zur Hüfte nackt -, doch war die gesamte Bevölkerung Jawas, welche Religion sie ursprünglich auch gehabt haben mochte, schon seit langem von den Indern, den Hauptabnehmern ihrer Gewürze, zum Hinduismus bekehrt worden. Leider hatten die Jawaner aber, was wohl unvermeidlich war, auch alles andere übernommen, was mit der Hindureligion verbunden zu sein schien, nämlich Schmutz und Stumpfheit und tadelnswerte Angewohnheiten. Deshalb fand ich die Bewohner nicht reizvoller als andere Hindus und Jawa auch nicht reizvoller als Indien.
Einige andere von unserer Gesellschaft wollten sich die Langeweile auf andere Art und Weise vertreiben und hatten Pech damit. Sämtliche zur Besatzung der Schiffe gehörenden Han hatten wie Matrosen jeder anderen Volkszugehörigkeit auch eine Todesangst davor, ins Wasser zu fallen. Die Jawaner hingegen fühlten sich sowohl im Wasser als auch auf dem Wasser sehr wohl. Jawanische Fischer konnten selbst bei aufgewühlter See mit einem Fahrzeug herumfahren, das prau hieß und so klein und zerbrechlich war, daß die Wogen es zum Kentern gebracht hätten, wäre es nicht von einem Baumstamm, der an langen zhu-gan-Rohren neben dem Rumpf befestigt wurde, im Gleichgewicht gehalten worden. Selbst die jawanischen Frauen und Kinder legten schwimmend beträchtliche Entfernungen vom Ufer und durch die recht gefährliche Brandung hindurch zurück. Deshalb kam eine Anzahl unserer männlichen mongolischen Fahrgäste und auch ein paar unternehmungslustige Frauen, die allesamt reine Landratten waren und es dem Meer gegenüber an Vorsicht fehlen ließen, auf die Idee, es den Jawanern nachzumachen und sich in dem warmen Wasser zu tummeln.
Obwohl die Luft um uns herum des herniederrauschenden Regens wegen fast genauso naß war wie das Meer, zogen die Mongolen sich bis auf das Allernötigste aus, kletterten über Bord und wollten im Wasser herumplanschen. Solange sie sich an den vielen Tauen festhielten, die über die Bordwand hingen, waren sie in keiner großen Gefahr. Viele jedoch wurden übermütig und versuchten, frei herumzuschwimmen, und von allen zehn, die hinter dem Vorhang aus Regen verschwanden, schafften es vielleicht sieben wiederaufzutauchen. Wir haben nie erfahren, was mit den anderen geschah, doch die Verlockung blieb bestehen. Jedenfalls ließen andere sich nicht davon abhalten, gleichfalls hinauszuschwimmen, und so müssen wir insgesamt mindestens zwanzig Männer und zwei Frauen aus Kukachins Gefolge verloren haben.
Was zwei anderen passierte, wußten wir jedoch genau. Einer, der schwimmen gewesen war, kletterte laut Vakh! fluchend zurück aufs Schiff und schüttelte Blutstropfen von seiner Hand aufs Deck. Als der Schiffsarzt, ein Han, die Hand mit einer Salbe behandelte und einen Verband anlegte, berichtete der Mann, er habe seine Hand auf einem Fels ruhen gehabt, daran sei ein Fisch festgeklammert gewesen, der Algenbewuchs aufgewiesen und genauso wie der Felsen ausgesehen habe, und dieser Fisch habe ihn mit der Rückenflosse gestochen. Soweit war er gekommen, dann schrie er: »Vakh-vakh-vakh-vakh!«, wurde von einer Art Veitstanz ergriffen und schlug um sich, bekam Schaum vor dem Mund, und als er schließlich kraftlos in sich zusammenfiel, stellten wir fest, daß er tot war.
Ein jawanischer Fischer, der gerade an Bord gekommen war, um uns seinen Fang zu
Weitere Kostenlose Bücher