Marco Polo der Besessene 2
Körpers dorthin zu gelangen.
So kam es, daß an einem blaugoldenen Maimorgen vierundzwanzig Jahre nachdem wir La Città Serenissima verlassen hatten, unsere Galeasse am Anlegesteg des Lagerhauses unserer Compagnia festmachte und mein Vater und Onkel Mafio und ich im Jahre des Herrn eintausendzweihundertfünfundneunzig oder, wie man in Kithai gesagt hätte, dem Jahr des Widders dreitausendneunhundertdreiundneunzig -den Landungssteg hinunterstiegen und das Kopfsteinpflaster der Riva Ca' de Dio betraten.
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Der Geschichte des verlorenen Sohnes ungeachtet, behaupte ich, daß es nichts Besseres gibt, als erfolgreich nach Hause zurückzukehren. Erst dann wird man bei der Heimkehr mit überschäumender Herzlichkeit empfangen. Selbstverständlich hätte Dona Fiordelisa uns in jedem Falle glücklich willkommen geheißen, wie immer wir gekommen wären. Doch hätten wir uns mit eingekniffenem Schwanz nach Venedig hineingeschlichen, wie wir das in Konstantinopel getan hatten, ich würde meinen, unsere Kaufmannskollegen und die Bürgerschaft ganz allgemein hätten uns ihre Verachtung spüren lassen. Die viel bedeutsamere Tatsache, daß wir solche gewaltigen Reisen gemacht und Dinge gesehen hatten wie sonst keiner von ihnen, hätte überhaupt nicht gezählt. Da wir nun jedoch reich und wohlgekleidet und erhobenen Hauptes heimkehrten, wurden wir begrüßt wie Gewinner, wie Sieger, wie Helden.
Noch Wochen nach unserer Rückkehr sprachen so viele Menschen in der Ca' Polo vor, daß wir kaum Zeit fanden, die Bekanntschaft mit Do na Lisa und anderen Verwandten, Freunden und Nachbarn zu erneuern, was die Familienereignisse betrifft, auf den neuesten Stand zu kommen und die Namen all unserer neuen Diener und Sklaven und Angestellten der Compagnia kennenzulernen. Der alte Majordomus, Attilio, und der alte Oberschreiber, Isidoro Priuli -sowie auch unser alter Pfarrer, Pare Nunziata -waren gestorben, andere Hausdiener, Sklaven und Arbeiter waren aus unseren Diensten ausgeschieden oder entlassen oder freigelassen oder verkauft worden, und jetzt mußten wir ihre Nachfolger kennenlernen.
Bei manchen der Besucher, die bei uns zusammenkamen, handelte es sich um Bekannte aus früheren Jahren, doch viele andere waren uns völlig unbekannt. Einige kamen, bloß um uns neureichen arrichisti um den Bart zu gehen und sich irgendeinen Vorteil davon zu erhoffen, wobei die Männer mit Geschäftsvorschlägen und Projekten kamen, in die wir Geld hineinstecken sollten, und die Frauen brachten Töchter im heiratsfähigen Alter, auf daß ich Gefallen an ihnen fände. Andere hinwieder kamen in der unverhohlen korrupten Hoffnung, irgendwelche Informationen, Landkarten und Ratschläge aus uns herauszulocken, die es ihnen gestatteten, es uns nachzumachen. Nur wenige kamen, um uns aufrichtig zu gratulieren, daß wir heil und gesund zurückgekehrt waren, und viele kamen, um uns unsinnige Fragen zu stellen wie etwa: »Nun, wie kommt man sich vor, wenn man wieder daheim ist?«
Ich für meine Person fand es schön, wieder daheim zu sein. Es tat wohl, durch die gute alte Stadt zu streifen und sich in dem ständig veränderlichen, schwappenden und flüssigen Spiegellicht Venedigs zu baden, das so anders ist als die infernalisch grelle Sonne der Wüsten, das blendende Leuchten hoher Berge und das jähe Weiß und der schwarze Schatten östlicher bazars. Es war ein gutes Gefühl, über die Piazza zu schlendern und ringsumher den Wohllaut und Singsang des Venezianischen zu hören, der so ganz anders ist als das kurzatmige Gehechel östlicher Sprachen. Es tat wohl festzustellen, daß Venedig eigentlich immer noch so war, wie ich es in der Erinnerung gehabt hatte. Der Campanile auf der Piazza war etwas höher gebaut worden, ein paar ältere Bauten waren abgerissen und an ihrer Stelle neue errichtet worden, und das Innere von San Marco schmückte viele neue Mosaiken. Aber nichts hatte sich so verändert, daß es weh tat, und das war gut.
Und immer noch sprachen die Besucher in der Ca' Polo vor. Bei manchen machte es ja Spaß, sie zu empfangen, manche störten nur, und noch andere waren regelrecht lästig; unter letzteren ein Kollege, ein Kaufmann, der ungewollt einen dunklen Schatten auf unsere Heimkehr warf. Er sagte uns: »Über meinen Faktor auf Zypern habe ich gerade Nachricht aus dem Fernen Osten erhalten. Der Groß-Khan ist tot.« Als wir genaueres hören wollten, ergab sich, daß der Khakhan etwa um die Zeit gestorben sein mußte, als wir durch Kurdistan
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