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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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unseren Jungen das golulè einführte oder ihnen auch nur beibrachte, Schönheitsmittel zu benutzen, damit sie später imstande seien, männliche Liebhaber anzuziehen. So sind sie jetzt selbst zu überaus männlichen Männern herangewachsen und machen sikis nur mit Frauen. Das sind die Jungen, dort drüben, Nami und Orhon, die den toten Mongolen gerade die Stiefel ausziehen. Könnt Ihr Euch vorstellen, Marco Efendi, daß meine Söhne beide älter sind als Ihr es wart, als ich Euch das letztemal sah? Nun, es ist gut, nach all den vielen Jahren etwas über den lieben Aziz zu erfahren und zu wissen, daß er aus seinem Leben genauso einen strahlenden Erfolg gemacht hat wie ich aus dem meinen. Das verdanken wir alles Euch, Marco Efendi.«
    »Bosh!« sagte ich bescheiden.
    Ich hätte vorschlagen können, daß man uns zumindest unser Eigentum beließ, doch ich tat es nicht. Und als mein Vater gleichfalls erkannte, daß man uns ausplünderte, seufzte er ergeben und sagte: »Nun, wenn es kein Festmahl gibt, sind zumindest die Kerzen glücklich.« Gewiß, unser Leben hatte man geschont. Und das mir zustehende Drittel unserer beweglichen Habe hatte ich bereits vor unserer Abreise aus Khanbalik weitergegeben; auch war das nur eine Geringfügigkeit im Vergleich zu dem, was unsere Compagnia zuvor aus Kithai heimgeschickt hatte. Auch nahmen die Briganten nur, was sie mühelos ausgeben, verkaufen oder eintauschen konnten, was bedeutete, daß sie uns unsere Kleidung und unsere persönliche Habe ließen. Zwar bestand nicht gerade Grund zu frohlocken, erst auf einer so späten Etappe unserer langen Reise ausgeraubt worden zu sein -besonders bedauerten wir den Verlust der prächtigen Sternsaphire, die wir in Srihalam eingetauscht hatten -, doch allzusehr murrten wir nicht.
    Neb Efendi und seine Bande gestatteten uns, mit unseren eigenen Pferden bis zu der Küstenstadt Trapezunt zu reiten, und begleitete uns sogar als Schutz gegen weitere kurdische Überfälle. Außerdem nahmen sie höflich Abstand davon, unterwegs noch jemand abzuschlachten oder ihm die Füße mit Hufeisen zu beschlagen. Als wir in den Außenbezirken von Trapezunt absaßen, gab uns der Chiti Ayakkabi eine Handvoll von unseren eigenen Münzen zurück, was ausreichen mußte, für unsere Weiterreise und Verköstigung bis Konstantinopel zu bezahlen. So trennten wir uns auf durchaus freundschaftliche Weise, und der Schuhbrigant schlug mich auch nicht zu Boden, als Sitaré mich wie vor mehr als zwanzig Jahren zum Abschied leidenschaftlich und ausgedehnt küßte.
    In Trapezunt am Gestade des Euxinischen, Kara oder Schwarzen Meeres, waren wir immer noch über zweihundert fanakhs östlich von Konstantinopel. Dennoch waren wir froh, zum ersten Mal, seit wir Acre in der Levante verlassen hatten, wieder auf christlichem Boden zu stehen. Mein Vater und ich entschieden uns gegen den Kauf neuer Pferde, nicht aus Angst vor einem Ritt über Land, sondern aus Sorge darum, daß es für Onkel Mafìo zu anstrengend wäre, wo jetzt doch nur wir zwei da waren, uns um ihn zu kümmern. Den Rest unseres Gepäcks auf der Schulter, begaben wir uns zum Hafen von Trapezunt, wo wir nach einiger Zeit ein barkenähnliches gektirme-Fischerboot ausfindig machten, dessen christlicher Kapitän -ein Grieche, dessen gesamte Mannschaft aus seinen vier rüpelhaften Söhnen bestand -aus christlicher Güte sich einverstanden erklärte, uns nach Konstantinopel zu bringen, für unsere Verköstigung zu sorgen und dafür aus christlicher Güte nur das zu verlangen, was wir noch besaßen.
    Es war eine schrecklich langsame und elende Reise, denn die gektirme warf unterwegs ständig das Netz aus und fing Anchovis, so daß wir die ganze Fahrt über nichts außer Anchovis mit einem Reis-Pilaf in Anchovisöl zu essen bekamen, und so lebten und schliefen und atmeten wir unausgesetzt in Anchovisgeruch. Außer uns und den Griechen war ohne ersichtlichen Grund noch ein ausgemergelter Hund an Bord, und ich wünschte mehr als einmal, wir hätten nicht die letzte Münze herausgerückt, denn dann hätte ich den Hund kaufen und ihn zum Kochen freigeben können, bloß um mal etwas anderes zu essen als Anchovis. Doch das war ebensogut. Der Hund war schon so lange an Bord, daß ich fürchte, er hätte auch nicht anders geschmeckt.
    Nach fast zwei scheußlichen Monaten an Bord unseres schwimmenden Anchovisfäßchens liefen wir endlich durch die Bosphorus genannte Meerenge bis in die Goldenes Horn genannte Hafenbucht von Konstantinopel

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