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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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monströs kompakte und schweißbedeckte nackte turkmenische Ringer versuchten, sich zu unserem Vergnügen gegenseitig zu verstümmeln. Die Han-Ärzte sind zu dem Schluß gekommen, schwarzer Onyx-Stein verleihe jenen, die mit ihm in Berührung stehen, ungeheure Kräfte. Aus diesem Grunde ist der Boden, auf dem die Ringkämpfe ausgetragen werden, mit Onyx gepflastert, um die Kämpfer zu Höchstleistungen zu bringen.
    Nachdem die beiden Turkmenen sich zur Zufriedenheit der Anwesenden gegenseitig zu Krüppeln gemacht hatten, wurde uns eine Gruppe usbekischer Sängerinnen in goldbestickten, rubinroten, smaragdgrünen und saphirblauen Gewändern geboten. Diese Mädchen hatten recht hübsche, aber ungewöhnlich flache Gesichter, gleichsam als hätte man ihnen die Gesichtszüge nur aufgemalt. Sie krächzten uns einige unverständliche und nicht endenwollende usbekische Balladen vor; ihre Stimmen klangen wie die nicht abgeschmierten Räder eines unaufhaltsam weiterrollenden Wagens. Dann trugen ein paar samojedische Spielleute auf einer Reihe von Instrumenten Handtrommeln, Finger-Zymbaln sowie fagotto-und dulzainaähnlichen Flöten - ähnlich mißtönende Stücke vor.
    Danach kamen Han-Gaukler, die weit unterhaltsamer waren, da sie schweigend und mit unglaublicher Gelenkigkeit Kunststücke vorführten. Es war nicht zu fassen, was sie mit Schwertern, Seilen und flammenden Fackeln alles fertigbrachten und wie viele Dinge sie gleichzeitig durch die Luft fliegen oder sich drehen lassen konnten. Daß ich jedoch glaubte, meinen Augen nicht mehr trauen zu können, geschah erst, als sie sich gegenseitig mit Wein gefüllte Becher zuwarfen, ohne daß auch nur ein einziger Tropfen verschüttet wurde! In den Pausen zwischen ihren Kunststücken machte ein tulhulos, ein fahrender mongolischer Sänger, die Runde, kratzte auf einer Art dreisaitiger viella herum und berichtete in klagendem Ton über Schlachten, Siege und Helden der Vergangenheit.
    Inzwischen aßen wir alle. Und wie wir aßen! Wir aßen von hauchdünnen Porzellantellern und Schalen und Schüsseln, von denen manche in sanften Braun-und Cremetönen schimmerten, andere hingegen blau mit pflaumenfarbenen Einsprengseln darin. Damals wußte ich es noch nicht, doch später hat man mir gesagt, diese Porzellane, Chi-zho-und Jen-Geschirr genannt, seien Han-Kunstwerke, so kostbar, daß es in Sammlungen zusammengefaßt wurde und die Han-Kaiser im Traum nicht auf den Gedanken gekommen wären, es auch wirklich bei Tisch zu benutzen. Doch genauso, wie Kubilai sich diese Kunstwerke zum Ergötzen seiner Gäste angeeignet hatte, hatte er für seine Palastküchen die besten Köche Kithais angeworben, und diese wurden denn auch mehr als das Chi-zho-und Jen-Geschirr laut von den Gästen gepriesen. Jedesmal, wenn uns ein neues Gericht vorgesetzt wurde und wir davon kosteten, vernahm man von überallher im Raum beifällige »Hui!«- und »Hao!«-Rufe, woraufhin dann jeweils der für dieses besondere Gericht verantwortliche Koch aus der Küche herbeigerufen wurde, lächelte und ko-tou machte; wir spendeten ihm Beifall, indem wir mit den »Flinken Zangen« aneinanderschlugen, so daß es klang, als zirpten viele Heimchen. Dazu möchte ich noch bemerken, daß wir Gäste mit Eßzangen aus reichgeschnitztem Elfenbein geehrt wurden, diejenigen jedoch, die Kubilai benutzte -wie Chingkim mir erzählte -, aus den Unterarmknochen von Gibbonaffen bestanden, da solche Zangen sich schwarz färben, sobald sie mit vergifteten Speisen in Berührung kommen.
    Unser Tischgenosse setzte uns bei jedem Gericht, das auf den Tisch kam, auseinander, woraus es bestehe, denn fast jedes entstamme der Han-Küche und besaß daher einen Han-Namen, der zwar höchst verlockend klang, aber durch nichts verriet, woraus das Gericht denn nun eigentlich bestand. Auch konnte ich nicht immer sagen, was ich eigentlich aß und so köstlich fand. Gewiß, als das Festmahl begann und das erste Gericht als Milch und Rosen angekündigt wurde, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten zu erkennen, daß es sich schlicht um weiße und rosa Trauben handelte. (Die Reihenfolge bei einer Han-Mahlzeit ist genau umgekehrt wie bei uns: Man beginnt mit Obst und Nüssen und schließt mit einer Suppe ab.) Doch als ich »Schnee-Kinder« vorgesetzt bekam, mußte Chingkim mir erklären, daß sie aus Bohnengallerte und gekochten Froschschenkeln bestanden. Und bei dem »Rotschnäbligen Grünen Papagei mit goldgefaßter Jade« handelte es sich um einen vielfarbenen Brei,

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