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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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einen vorgeblich mongolischen Hof gehörten - Lin-ngan zum Beispiel, den wir bereits kannten und der zu den vorgeblich unterworfenen Han gehörte, gleichwohl jedoch das ziemlich wichtige Amt des Hofmathematikers bekleidete.
    Der junge Mann Chingkim schien den großartigsten Titel zu tragen, den Kubilai einem seiner mongolischen Landsleute verliehen hatte, doch behauptete Chingkim, nichts weiter als ein Stadt-Wang zu sein. Im Gegensatz dazu war der Oberste Minister des Khakhan, dessen Amt den Han-Titel Jing-siang trug, weder ein mongolischer Eroberer noch ein Han-Untertan, sondern vielmehr ein Araber namens Achmad-az-Fenaket, der es persönlich vorzog, mit seiner arabischen Amtsbezeichnung Wali -bezeichnet zu werden. Doch mit welchem Ehrentitel er auch immer angeredet wurde - als Jing-siang, Oberster Minister, oder Wali -, Achmad war der zweitmächtigste Mann in der gesamten mongolischen Hierarchie und nur dem Khakhan selbst unterstellt, denn er hatte auch noch das Amt des Vizeregenten inne, was bedeutete, daß er praktisch das Reich regierte, wenn Kubilai auf der Jagd war, Krieg führte oder sonst beschäftigt war. Außerdem bekleidete Achmad auch noch das Amt des Finanzministers, was bedeutete, daß er es war, bei dem die Stränge der Staatsfinanzen zusammenliefen.
    Nicht minder merkwürdig wollte es mir vorkommen, daß der Kriegsminister des Mongolen-Reiches kein Mongole, sondern ein Han namens Chao Meng-fu war, denn immerhin war der Krieg das Gebiet, auf dem die Mongolen sich besonders hervortaten und auf das sie besonders stolz waren. Der Hofastronom war ein Perser namens Jamal-ud-Din, der aus dem fernen Isfahan stammte. Der Hofarzt war ein Byzantiner, dessen Wiege im noch ferneren Konstantinopel gestanden hatte, der Hakim Gansui. Zu den Palastbeamten gehörten noch andere Personen, die an diesem Bankett nicht teilnahmen und von noch erstaunlicherer Herkunft waren, doch irgendwann sollte ich sie alle kennenlernen.
    Der Khakhan hatte versprochen, wir Polo würden an diesem Abend »zwei andere neu aus dem Westen eingetroffene Besucher« kennenlernen, die gleichfalls in unserer Nähe saßen, so daß wir uns mit ihnen unterhalten konnten. Es handelte sich jedoch nicht um Abendländer, sondern um Han, und ich erkannte in ihnen sofort die beiden Männer, die ich am Abend unseres Ankunftstages im ersten Palasthof hatte von ihren Maultieren steigen sehen und bei denen ich immer noch das Gefühl hatte, sie schon irgendwann einmal gesehen zu haben.
    Die Tische, an denen wir alle saßen, hatten eine Oberfläche aus rosa-lavendelfarbenen Steinen, die für meine Begriffe aussahen wie Edelsteine. Das seien es auch, sagte unser Tischgenosse Chingkim:
    »Amethyste«, erklärte er mir. »Wir Mongolen haben von den Han viel gelernt. Und die Ärzte der Han sind zu dem Schluß gekommen, Tische aus violetten Amethysten verhinderten, daß die daran Zechenden betrunken werden.«
    Das fand ich interessant, doch noch mehr hätte es mich interessiert zu sehen, wieviel betrunkener eine Gesellschaft wohl noch ohne die gegenläufigen Einflüsse der Amethyste hätte werden können. Kubilai war nicht der einzige, der mit dröhnender Stimme befahl, daß kumis, arkhi und mao-tai und pu-tao aufgetragen würden, und zwar in wahrhaft trunken machenden Mengen. Selbst von den in Khanbalik ansässigen Arabern und Persern blieb einzig Wali Achmad die ganze Nacht über nüchtern, wie es sich für einen guten Muslim geziemt. Auch blieb die übermäßige Trinkerei nicht auf die männlichen Gäste beschränkt; die Mongolinnen tranken ein gehöriges Quantum und wurden immer schrillstimmiger und unflätiger in ihrer Rede. Die Damen der Han hingegen nippten nur an ihrem Wein und bewahrten damenhaften Anstand.
    Dabei betrank sich die gesamte Gesellschaft nicht sofort und auch nicht alle auf einmal. Beginnen tat das Bankett um die Stunde des Hahns, wie man sie in Kithai nennt, und die ersten Gäste verließen auch nicht vor der Stunde des Tigers schwankend die Halle oder glitten bewußtlos unter die amethysteingelegten Tische, was bedeutete, daß Schmausen, Reden, Lachen und Unterhaltung vom frühen Abend bis kurz vor Morgengrauen des nächsten Tages dauerten; und daß sich allgemeine Trunkenheit bemerkbar machte, geschah nicht vor der zehnten oder elften Stunde dieses zwölf Stunden währenden Gelages.
    »Onyx«, sagte Chingkim zu mir und zeigte auf den offenen Bereich auf dem Boden um den getränkespendenden Schlangenbaum, wo in diesem Augenblick zwei

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