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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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meinem Vater und meinem Onkel zu: »Ihr habt meinem Vetter jedenfalls Aug' in Auge gegenübergestanden und mit ihm gesprochen, meine Freunde Polo. Wie habt ihr ihn gefunden, uul«
    Onkel Mafìo sagte nachdenklich: »Fest steht, daß Kaidu begierig ist auf mehr, als er hat. Und ganz eindeutig ist er ein Mann kriegerischen Wesens.«
    »Schließlich stammt er aus derselben Familie wie der Khakhan«, sagte mein Vater. »Es ist eine alte Weisheit: eine Wölfin wirft keine Lämmer.«
    »Auch diese Dinge weiß ich selbst«, knurrte Kubilai. »Ist denn keiner da, der mehr als das auf der Hand Liegende wahrgenommen hätte, uu?«
    Mit diesem »Uu?« wandte er sich zwar nicht direkt an mich, doch machte es mir Mut, das Wort zu ergreifen. Gewiß, ich hätte das, was ich zu sagen hatte, auf gewinnendere Art ausdrücken können, doch wurmte es mich noch immer, was ich für aufgesetzte Grausamkeit und Willkür bei ihm gehalten, als er dafür gesorgt hatte, daß wir seine harten Urteile im cheng mitbekamen. Ich war daher immer noch in dem Wahn befangen, im Grunde sei Khan Kubilai ein ganz gewöhnlicher Mensch. Und möglich auch, daß ich den Getränken, die der Schlangenbaum spendete, bereits mehr zugesprochen hatte, als mir guttat. Doch wie dem auch sei, als ich sprach, tat ich das mit lauterer Stimme, als nötig gewesen wäre:
    »Der Ilkhan Kaidu hat Euch entartet und weibisch und heruntergekommen genannt, Sire. Er hat gesagt, Ihr wäret nicht besser als ein Kalmücke.«
    Jeder im Raum Anwesende hörte mich. Und jeder Anwesende mußte sich darüber im klaren sein, was für ein verwahrlostes Wesen ein Kalmücke ist. Schrecken und Schweigen, die sich augenblicklich im ganzen Saal ausbreiteten, hätten bedrohlicher nicht sein können. Alle hörten sie auf zu reden, selbst die schrillstimmigen Mongolinnen schienen mitten in ihrem Gebrabbel zu verstummen. Mein Vater und mein Onkel schlugen die Hände vors Gesicht, Wang Chingkim starrte mich mit schreckensgeweiteten Augen an. Die Söhne und Frauen des Khakhan holten vernehmlich Luft, und Tang und Fu legten zitternd die Hand vor den Mund, als hätten sie zu völlig unpassender Zeit gelacht oder gerülpst, und die Gesichter all der anderen verschiedenfarbigen Menschen um mich herum nahmen samt und sonders die gleiche Blässe an.
    Einzig Khan Kubilai erbleichte nicht. Ihm stieg vielmehr die Zornesröte ins Gesicht, und es zuckte mörderisch darin, als er versuchte, Worte der Verdammung und Befehle auszustoßen. Hätte er es je geschafft, diese Worte laut werden zu lassen, er hätte sie nie wieder zurückgenommen, das weiß ich heute; und nichts, wirklich nichts wäre geeignet gewesen, die Ungeheuerlichkeit meiner beleidigenden Worte zu mildern und dieses vernichtende Urteil abzuschwächen, die Wachen hätten mich zum Liebkoser geschleift, und über die Art meiner Hinrichtung hätte man auch nach Generationen noch in Kithai nur im Flüsterton gesprochen. Doch in Kubilais Gesicht zuckte es weiter, offenbar verwarf er die Worte, die er sagen wollte, als zu mild, ersetzte sie durch andere und verwarf auch diese zugunsten von noch schrecklicheren und noch vernichtenderen und gab mir auf diese Weise Zeit zu sagen, was ich sagen wollte:
    »Doch wenn es donnert, Sire, ruft der Ilkhan Kaidu Euren Namen an als Schutz vor dem Zorn des Himmels. Er tut das lautlos, gleichsam schweigend, aber ich habe ihm Euren Namen von den Lippen abgelesen, Sire, und seine eigenen Krieger haben mir bestätigt, daß ich mich nicht geirrt habe. Wenn Ihr das anzweifelt, Sire, könntet Ihr die beiden Angehörigen von Kaidus Leibwache befragen, die er als unsere Eskorte mitgeschickt hat, die Krieger Ussu und Donduk…«
    Meine Stimme verstummte und verlor sich in dem immer noch vorherrschenden schrecklichen Schweigen. Ich konnte hören, wie Tropfen von kumis oder pu-tao oder von irgendeinem anderen Getränk plink, plonk aus dem Maul der Schlange in das darunterstehende Löwengefäß fielen. In diesem atemlosen, ungeheuerlichen Schweigen hielt Kubilai die schwarzen Augen immer noch auf mich gerichtet und durchbohrte mich mit seinen Blicken, doch allmählich hörte das Zucken in seinem Gesicht auf, es wurde starr wie Stein, die Zornesröte wich allmählich daraus, und schließlich sagte er ganz, ganz leise, und doch so, daß alle Anwesenden es hörten:
    »Wenn er Angst hat, ruft Kaidu meinen Namen an. Beim großen Gott Tengri, diese eine Beobachtung ist mehr wert als sechs toman meiner besten, wildesten und ergebensten

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