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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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in diesem Erdteil errichten können. Doch Kithai dünkte ihn von allen seinen Landen als das ansprechendste: das erging auch mir so, und das war es auch.
    Ich war auf dem langen Weg von Acre her durch vielerlei exotische Länder und Städte gekommen, doch die unterschieden sich vornehmlich oberflächlich. Damit meine ich: Jedesmal, wenn ich in eine neue Stadt einzog, heftete mein Blick sich ganz natürlich zunächst auf Dinge in meiner unmittelbaren Nähe. Das konnten Menschen von sonderbarer Hautfarbe oder Haltung sein, die fremde Trachten trugen, und hinter ihnen erblickte ich dann Gebäude von unbekannter Bauweise. Aber auf dem Boden gab es immer und überall Hunde und Katzen, die sich nicht von denen an anderen Orten unterschieden, und über mir gab es immer die Abfälle vertilgenden Vögel -Tauben oder Möwen oder Geier oder was noch alles -wie in jeder anderen Stadt in der Welt. Und um die Außenbezirke der Stadt erstreckten sich langweilige Hügel oder Berge oder Ebenen. Landschaft und Wildgetier mochten auf den ersten Blick erstaunlich sein -wie etwa die mächtigen schneebedeckten Felsen des Hochlands von Pai-Mir und »Marcos« prächtige »Schafe«. Doch wer lange unterwegs ist, der findet in den meisten Landschaften, ihrer Fauna und Flora Altvertrautes und manches, das sich wiederholt.
    Im Gegensatz dazu erwies sich fast überalll in Kithai nicht nur der Vordergrund oder die Oberfläche als von Interesse, sondern auch die unscheinbarsten Dinge, die man gleichsam aus den Augenwinkeln heraus wahrnimmt, die Töne ganz am Rande dessen, was das Ohr mitbekommt, und sogar die Düfte, die einem von überallher in die Nase steigen. Bei einem Rundgang durch die Straßen von Khanbalik konnte ich den Blick auf alles mögliche richten, von den geschwungenen Dachfirsten der Häuser bis zu den vielfältigen Gesichtern und Gewändern der Vorübergehenden, und mir dabei immer noch bewußt sein, daß noch manches andere da war, das meiner Aufmerksamkeit wert gewesen wäre.
    Senkte ich den Blick auf die Straße hinab, sah ich Katzen und Hunde, doch wäre es mir nie in den Sinn gekommen, sie mit den Aasfressern von Suvediye oder Balkh oder wo auch immer zu verwechseln. Die meisten Kithaier Katzen waren klein und schön gefärbt, rötlichgelb bis auf Ohren, Tatzen und Schwanz, die einfach braun waren oder silbergrau mit nahezu indigoblauen Läufen; die Schwänze waren sonderbar kurz und oben an der Spitze noch befremdlicher gekrümmt als wären es Haken, die Tiere daran aufzuhängen. Manche von den Hunden, die ich herumlaufen sah, ähnelten winzigen Löwen mit struppiger Mähne, eingedrückter Schnauze und vorquellenden Augen. Andere sahen aus wie etwas, das man noch nie zuvor auf Erden geschaut hatte, wie ein wandelnder Baumstumpf, falls es so etwas gäbe. Ja, diese Hundeart wurde shu-pei genannt, was soviel bedeutet wie »mit lockerer Rinde umhüllt«; denn ihr Fell war viel zu weit für sie, so weit, daß von den Zügen des Hundes nichts mehr zu sehen war, ja, man nicht einmal mehr ihre Gestalt erkennen konnte; sie waren einfach ein grotesk watschelnder Haufen Hautfalten.
    Noch eine andere Hundeart wurde für etwas benutzt, wovon ich fast nichts berichten mag, denn wahrscheinlich glaubt mir doch niemand, wenn ich es erzähle. Dieser Hund war groß, besaß ein rötliches, borstiges Fell und hieß xiang-gou. Ein jedes dieser Tiere trug ein Geschirr wie ein kleines Pferd, bewegte sich mit größter Umsicht und Würde, denn sein Geschirr wies einen hochstehenden Griff auf, an dem der Hund einen Mann oder eine Frau führte. Der-oder diejenige, die sich daran festhielt, war blind -kein Bettler, sondern jemand, der unterwegs war, seinen Geschäften nachzugehen, auf dem Markt einzukaufen oder aber nur spazierenzugehen. Es stimmt. Der xiang-gou -»Führ-Hund« -wurde gezüchtet und darauf abgerichtet, einen blinden Herrn nicht nur auf dem eigenen Grund und Boden zu führen, ohne daß er stolperte oder mit etwas zusammenstieß -sondern auch durch das dickste Menschengewühl und den dichtesten Wagen-und Karrenverkehr.
    Neben dem, was es zu sehen gab, waren da noch Klänge und Gerüche, die manchmal von derselben Quelle ausgingen. An jeder Straßenecke gab es eine Garküche oder einen Handkarren, an dem heiße gekochte Speisen an die Arbeiter draußen oder eilige Vorübergehende verkauft wurden, die sie im Gehen aßen. So kam es, daß der Duft von Fisch oder Fleischbrocken einen zugleich mit dem Geräusch des brutzelnden Fetts

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