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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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einen fengzhen fliegen ließen, und diejenigen, die nur zuschauten, schlossen hohe Wetten über den Ausgang einer solchen Schlacht ab. Frauen und Kinder hatten einfach so ihren Spaß am fengzhen-Steigen.
    Nachts bedurfte es keiner besonderen Anstrengungen, die sonderbaren Dinge zu beobachten, die sich am Kithaier Himmel taten -denn mein Kopf pflegte nolens volens in die Höhe zu rucken, wenn ich die Geräusche dieser Dinge hörte. Ich meine das heftige Zischen und Knattern und Sprühen von künstlichem Donner und Blitz, den sogenannten Feuerbäumen und Glitzerblumen. Wie in vielen anderen Ländern des Ostens, so schien auch in Kithai jeder Tag irgendein Volksfest oder ein Jahrestag gefeiert zu werden, doch nur in Kithai zogen diese Feiern sich bis in die Nacht hinein, damit man einen Grund hatte, diese sonderbaren Feuerkörper himmelwärts schießen und zu Boden segeln zu lassen. Ich bewunderte diese Darbietungen voller Hochachtung, die auch keinen Abbruch erlitt, als ich später dahinterkam, wie diese Wunder vollbracht werden.
    Auch außerhalb der Städte unterschieden sich die vielgestaltigen Kithaier Landschaften von denen anderer Länder. Ein paar wenige von Kithais Besonderheiten der Landschaft habe ich bereits beschrieben; bei anderen werde ich das tun, sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt. Hier sei nur folgendes erwähnt: Während wir in Khanbalik lebten, konnte ich immer, wenn ich Lust hatte, einen Tag draußen auf dem Land zubringen, aus den Palast-Stallungen ein Pferd kommen lassen und binnen eines Vormittags etwas besichtigen, was es in anderen Landschaften dieser Erde einfach nicht gibt. Mag es noch so sehr das Überbleibsel vollkommener Nutzlosigkeit und Eitelkeit sein, die Große Mauer, diese versteinerte Riesenschlange, die sich da von einem Horizont zum anderen windet, stellt für die Augen immer noch ein fantastisches Fest dar.
    Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als wäre alles und jedes in Kithai oder auch nur in der Hauptstadt des Khan schön, ungezwungen, reich und bezaubernd. Ich hätte mir nicht einmal gewünscht, daß es so wäre, denn Schönheit, in der nie etwas stört, kann genauso ermüdend sein wie etwa die eintönig großartige Landschaft des Pai-Mir. Kubilai hätte zum Beispiel eine Stadt mit einem gemäßigteren Klima zu seiner Hauptstadt machen können -es gibt im Süden Orte, in denen ewiger Frühling herrscht, während sich Landstriche noch weiter im Süden in ewigem Sommer sonnen. Doch die Menschen, die an solchen Orten lebten, fand ich, als ich sie dort kennenlernte, gleichfalls langweilig und fade. Das Klima Khanbaliks ähnelt ziemlich dem von Venedig: im Frühling Regen, im Winter Schnee, und im Sommer bisweilen drückende Hitze. Zwar hatten die Bewohner sich nicht mit der schimmelbildenden Feuchtigkeit Venedigs herumzuplagen; dafür wurden ihre Häuser, ihre Kleidung und ihre Möbel ständig von dem gelben Staub beeinträchtigt, der von den Wüsten im Westen herüberwehte.
    Gleich den Jahreszeiten und der Witterung veränderte sich auch Khanbalik ständig auf vielfältige und überaus belebende Art; jedenfalls wurde man der Stadt nie überdrüssig. Zum einen gab es neben der Pracht und den glücklichen Neuheiten, von denen ich berichtet habe, auch dunkle und weniger glückliche Seiten. Unter dem prächtigen Palast des Khans verbargen sich die Verliese des Liebkosers. Die herrlichen Gewänder von Edelleuten und Höflingen verhüllten bisweilen Männer von niedrigen Begierden und bösen Absichten. Selbst meine beiden hübschen Dienerinnen ließen ein paar weniger hübsche Eigenarten erkennen. Und von den Menschen, denen man außerhalb des Palasts auf Straßen und Märkten begegnete, war nicht jeder ein wohlhabender Kaufmann oder ein reicher Käufer. Es gab auch Arme und Unglückliche. So erinnere ich mich an einen Marktstand, an dem Fleisch für die Armen verkauft wurde; irgend jemand dolmetschte für mich, was auf dem Ladenschild geschrieben stand: »Wald-Garnelen, Haus-Wild, Niederwald-Aale« - und erklärte mir dann, das seien die wohltönenden Han-Bezeichnungen für Grashüpfer, Ratten und Schlangengekröse.
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    Viele Monate lang bestand meine Arbeit nun darin, mich mit einem Minister und Verwaltungsbeamten, Buchhalter und Hofbeamten nach dem anderen zu unterhalten und ihm respektvolle Fragen zu stellen, deren Beantwortung Aufschluß über das reibungslose Funktionieren des gesamten Mongolen-Khanats, des Landes Kithai, der Stadt Khanbalik und der Hofhaltung hier

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