Marcus Gladiator 02 - Strassenkämpfer
ihrer langen Tunika und ihre Geldbörse war nicht zu sehen. Nichts unterschied sie von irgendeinem anderen Mädchen aus wohlhabendem Hause, das Einkäufe machte.
Die Straßen waren schon mit Menschen bevölkert. Die Händler breiteten ihre Waren auf den Ständen aus, die zu beiden Seiten der Straße die Fußwege säumten. Die Passanten waren gezwungen, sich einen Weg zwischen Bergen von Müll und Exkrementen von Mensch und Tier zu bahnen, die sich so lange auf den Pflastersteinen ansammelten, bis der nächste schwere Regen sie fortwaschen würde. Marcus bemerkte den Gestank kaum, konzentrierte sich angespannt auf jede Seitenstraße und auf verdächtige Anzeichen oder ungewöhnliche Bewegungen. Ab und zu warf er einen raschen Blick nach hinten, um zu sehen, ob ihnen jemand folgte. Unmittelbar vor ihm schwatzten Corvus und Lupus miteinander. Diese beiden genossen die Abwechslung von ihren üblichen Pflichten. Marcus überlegte, ob sie die Erfahrung immer noch genießen würden, wenn sie sich, mit Einkäufen bepackt, zum Haus zurückschleppten. Er lächelte bei diesem Gedanken. Marcus hatte sich inzwischen mit den anderen Jungen in der Zelle eingelebt. Sie hatten sich aneinander gewöhnt, neckten einander jeden Abend vor dem Einschlafen und scherzten miteinander. Er freute sich schon darauf, sie damit aufzuziehen, dass sie Portias Packesel waren. Inzwischen hatten sie das Forum ohne Zwischenfälle erreicht und mischten sich unter die Menschenmenge auf den Märkten. Außer den Kunden lungerten die üblichen Jugendbanden um die öffentlichen Brunnen herum, redeten lautstark über das letzte Wagenrennen und beschimpften andere Banden, die gegnerische Wagenlenker unterstützten. Die Bettler, die an der Seite der Via Sacra saßen oder in den Torbögen neben den Tempeln lehnten, wiederholten mit ausgestreckten Händen immer und immer wieder ihre flehentlichen Bitten. Portia, die von ihrem Leid gerührt war, blieb stehen, reichte Lupus ihre Geldbörse und wies ihn an, den Bettlern einige kleine Münzen auszuhändigen. Marcus schlenderte zur anderen Straßenseite und gab vor, das Obst an einem in der Nähe gelegenen Stand zu prüfen, während er zu beiden Seiten die Straße kontrollierte.
Da tat sich eine Lücke in der Menge auf und Marcus bemerkte etwa fünfzig Schritte hinter sich zwei Männer. Sie waren ebenfalls stehen geblieben und starrten einen Moment die Straße entlang zu ihm herüber, ehe sie sich einander wie im Gespräch zuwandten. Sie trugen schlichte braune Tuniken wie die meisten Menschen in Rom, aber ihr Haar war kurz geschoren und sie sahen wie zähe Kerle aus. Eine gewisse Anspannung in ihrer Haltung ließ Marcus misstrauisch werden. Er beobachtete die beiden weiter aus dem Augenwinkel, während er noch vor dem Obststand wartete.
»Willst du was kaufen, oder lauerst du nur auf einen günstigen Augenblick, um was zu stehlen?«
Marcus schaute zu der Verkäuferin auf, einer massigen Frau mit dicken Armen und einem harten Gesicht. Er schüttelte den Kopf und begab sich zum nächsten Stand. Weiter unten an der Straße waren die beiden Männer zu einem Stand getreten, an dem ein dunkelhäutiger Händler Gürtel verkaufte. Marcus beobachtete sie, bis Portia ihre Börse wieder verstaut hatte und zum Weitergehen bereit war. Sie hatten die freie Fläche vor dem Senatsgebäude erreicht und wandten sich der Basilika zu, wo die Luxusartikel verkauft wurden. Marcus blickte sich vorsichtig um und schaute über die Menschenmenge, sah aber keine Spur mehr von den beiden Männern. Er fragte sich, ob er Schattenwesen jagte, erinnerte sich aber rechtzeitig an Festus’ ernsten Ratschlag – übermäßig großes Misstrauen gehörte einfach zu diesem Gewerbe. Marcus blickte noch einmal über die Menge, konnte die Männer immer noch nicht entdecken und rannte ein paar Schritte, um Portia einzuholen.
Nach dem hellen Tageslicht auf der Straße schien es im Inneren der Basilika ziemlich düster zu sein, und Marcus musste eine Weile warten, ehe seine Augen sich umgestellt hatten. Als er sich umschaute, staunte er, wie viele unterschiedliche und herrliche Waren hier zum Verkauf standen: wunderbare Ballen mit farbenfrohem Tuch, schimmernde Seide, Körbe voller getrockneter Früchte aus fernen Ländern, Regale voller Gefäße mit den besten Weinen, mit fein geschnitzten Figuren, die römische Soldaten, Barbaren und Gladiatoren darstellten – alle zu Preisen, die die Möglichkeiten der weitaus meisten Einwohner Roms überstiegen.
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