Marcus Gladiator 02 - Strassenkämpfer
fiel, konnte er die Umrisse einer gedrungenen Gestalt ausmachen.
»Mach, dass du hier wegkommst, Bürschchen! Du sitzt vor meinem Laden.«
Marcus, noch ganz benommen vom Schlaf, rappelte sich auf. Er befand sich in einem Torbogen, unmittelbar an einer der Hauptstraßen durch den Bezirk Aventin. Er erinnerte sich daran, dass er das mit Klappläden verschlossene Geschäft kurz nach dem Klang der Mitternachtstrompete, die die Wachablösung an der Stadtmauer ankündigte, gefunden hatte. Er hatte sich in eine Ecke bei der Tür gekauert und dort mit angezogenen Knien bibbernd gesessen, bis ihn endlich der Schlaf übermannte.
»Mach schon, weg hier!« Der Mann holte noch einmal mit dem Fuß aus und verpasste Marcus einen spitzen Stiefeltritt auf den Oberschenkel. Marcus schrie vor Schmerzen auf und hastete durch den Torbogen auf die Straße hinaus. Als er sich noch einmal umsah, bemerkte er, dass der Mann ihn genau beobachtete, um ja sicher zu sein, dass Marcus wirklich weg war, ehe er seine Ladentür aufschloss. Ein Blick zum Himmel zeigte Marcus, dass die Sonne vor weniger als einer Stunde aufgegangen war. Sobald er in sicherer Entfernung zum Torbogen war, blieb er stehen, um seine Lage zu überdenken. Hunger hatte er nicht, weil er gut gegessen hatte, ehe er sich mit Lupus auf den Weg gemacht hatte. Er besaß auch zwanzig Sesterzen, die er sich in das Futter seines Gürtels eingenäht hatte, sodass er nicht verhungern würde. Abgesehen davon würde er sich von nun an auf seinen gewitzten Verstand verlassen müssen.
Er wusste, dass er nicht weit vom Herzen des Aventin entfernt war, von dem Bezirk, den man die »Löwengrube« nannte, wo die billigsten Gasthäuser und Speisestätten sich um eine natürliche Schlucht am Hang des Hügels zusammendrängten. Dort trafen Milo und seine Banden sich, wenn sie nicht gerade den Leuten Geld abpressten oder Jagd auf die Anhänger von Caesar, Crassus und Pompeius machten. Marcus überquerte die Hügelkuppe und folgte der Straße den Hang hinunter, bis er eine Kreuzung erreichte. Eine gebeugte alte Frau stand an einem öffentlichen Brunnen und wusch ein paar zerlumpte Kleider.
»Könntet Ihr mir sagen, ob ich in der Nähe der Löwengrube bin?«, fragte Marcus höflich.
Die Frau wandte den Kopf zu ihm um. »Das willst du gar nicht wissen, Kleiner. Geh wieder nach Hause.«
»Ich habe kein Zuhause«, antwortete Marcus.
»Nun, in der Löwengrube wirst du keines finden.« Sie lachte und entblößte dabei eine Handvoll schiefer Zähne. »Höchstens eine schnelle Tracht Prügel, ehe sie dich mit einem Fußtritt wieder rausschmeißen. Bist du ausgerissen?«
»Ich will einfach nur wissen, ob ich in die richtige Richtung unterwegs bin«, antwortete Marcus.
Sie schniefte und wischte sich die Nase am Handrücken ab, ehe sie mit einer Geste auf eine Gasse gegenüber des Brunnens deutete. »So kommst du am schnellsten hin. Aber überlege es dir gut, Junge.«
Marcus bedankte sich bei ihr und steuerte auf die Gasse zu. Der Eingang war schmal und finster, und der Weg dahinter war zwischen baufällige Mietskasernen gequetscht, die so nah beieinanderstanden, dass man mit dem Arm aus dem Fenster der einen Seite greifen und das rußbefleckte Gebäude gegenüber mit der Hand berühren konnte. Die Gasse war so schmal, dass man zur Seite treten musste, wenn einem jemand entgegenkam. Eine harte Kruste aus gestampftem Müll und verdorbenen Lebensmitteln bildete eine unebene Oberfläche.
Aber der Unrat war nicht das Einzige, was auf dieser Gasse lag. Die Leiche eines alten Mannes war gegen die Wand eines engen Alkovens gelehnt und man hatte ihr alles bis auf einen schmutzigen Lendenschurz weggenommen. Die Augen des Toten waren geschlossen und aus seinem offen stehenden Mund und über seinem toten Fleisch brummten die Fliegen. Marcus eilte vorbei, die Hand fest vor die Nase gepresst. Es lagen auch tote Tiere herum – zumeist Ratten, aber auch ein paar Hunde, um die die Leute so gut es ging einen Bogen machten und die sie ansonsten ignorierten.
Nach einer kurzen Wegstrecke hörte Marcus Jubelgeschrei. Als er um eine Ecke bog, sah er vor sich Tageslicht. Der Jubel wurde lauter. Marcus stählte sich, trat auf die Gasse und war in der Löwengrube angelangt.
Eine freie Fläche von etwa zweihundert Fuß Breite erstreckte sich zwischen den Mietshäusern, die an den Seiten hoch darüber aufragten. Der Erdboden senkte sich hier zu einem natürlichen Kessel.
Außer den Rinnsalen von Abwässern aus den
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