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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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seine Verstärkungen
eingetroffen sind?«
    Der Doktor
hatte es seit seiner Ankunft als sehr unangenehm empfunden, mit jemand bei
Tisch sitzen zu müssen, der ihm so von Herzen zuwider war; nur die Höflichkeit
seiner Gastgeberin gegenüber hatte ihn daran gehindert, seinen Gefühlen
Ausdruck zu geben.
    »Nun,
und?« antwortete er kurz.
    »Soweit
ich Hauptmann Ashburn verstanden habe, hat General Johnston nur vierzigtausend
Mann, wenn man die Deserteure mitzählt, die durch den letzten Sieg ermutigt
wurden, wieder unter die Fahne zutreten.«
    »Herr!«
warf jetzt Mrs. Meade empört ein, »im konföderierten Heer gibt es keine
Deserteure.«
    »Verzeihung«,
antwortete Rhett in gekünstelter Bescheidenheit, »ich meinte nur die Tausende
von Urlaubern, die vergessen haben, zum Regiment zurückzukehren, und
diejenigen, die seit sechs Monaten von ihren Wunden geheilt sind und doch zu
Hause bleiben und ihrem täglichen Geschäft oder der Frühjahrsbestellung
nachgehen.«
    Mrs. Meade
verbiß sich eine aufbrausende Bemerkung. Scarlett wandelte die Lust an, zu
kichern. Rhett hatte sie gar zu gründlich abgefertigt. Hunderte versteckten
sich in den Waldsümpfen und in den Bergen und dachten nicht daran, sich von der
Feldgendarmerie zum Heer zurückschleppen zu lassen. Sie sagten, dies sei »der
Krieg der Reichen und der Kampf der Armen«, und sie hätten es satt. Ferner gab
es viele, die in den Kompanielisten als Deserteure geführt wurden. Es waren
Leute, die seit drei Jahren vergeblich auf Urlaub gewartet, aber dafür zahllose
Briefe ihrer Angehörigen aus der Heimat bekommen hatten, aus denen immer wieder
die eine Klage hervorbrach: »Wann kommst du nach Hause? Wir haben Hunger,
Hunger, Hunger.« Seitdem in der rasch dahinschwindenden Armee kein Urlaub mehr
bewilligt wurde, gingen solche Soldaten auf eigene Faust nach Hause, um ihre
Felder zu bestellen, ihre Häuser auszubessern und die Zäune wieder
aufzurichten. Wenn die Offiziere, die ein Verständnis dafür hatten, harte
Kämpfe kommen sahen, schrieben sie den Leuten, sie sollten wieder zur Kompanie
zurückkehren und alles sei gut. Gewöhnlich folgten die Leute dann diesen Rufen,
wenn sie erkannten, daß der Hunger daheim sich noch ein paar Monate hinhalten
ließ. Dieser sogenannte »Pflügeurlaub« wurde weniger ernst genommen als die
Desertion vor dem Feinde, obwohl er die Armee genauso schwächte.
    Hastig
überbrückte Dr. Meade eiskalten Tones die unbehagliche Pause, die eingetreten
war.
    »Kapitän
Butler, der zahlenmäßige Unterschied zwischen unseren Truppen und denen der
Yankees ist noch niemals ins Gewicht gefallen. Ein Konföderierter wiegt ein
Dutzend Yankees auf.«
    Die Damen
nickten. Jedermann wußte das.
    »Das war
zu Anfang des Krieges richtig«, sagte Rhett, »und ist es vielleicht noch,
solange der konföderierte Soldat Patronen für sein Gewehr, Schuhe an den Füßen
und etwas im Magen hat. Was meinen Sie, Hauptmann Ashburn?«
    Seine
Stimme klang immer noch weich in geheuchelter Ehrerbietung. Carey Ashburn
machte ein höchst unglückliches Gesicht. Auch er konnte Rhett nicht ausstehen.
Mit Freuden hätte er dem Doktor beipflichten mögen, aber er konnte nicht lügen.
Er hatte sich trotz seines steifen Armes wieder zur Front gemeldet, weil er den
Ernst der Lage erkannte, was die Zivilisten nicht taten. Es gab noch viele andere,
die auf Holzbeinen humpelten oder auf einem Auge blind waren, denen der Arm
oder die Finger abgeschossen waren und die sich trotzdem zurückmeldeten. Der
alte Joe brauchte Leute, das wußten sie alle.
    Ashburn
erwiderte nichts, aber Dr. Meade brauste auf: »Unsere Leute haben schon oft
barfuß und ohne Proviant gekämpft und gesiegt. Sie werden weiter kämpfen und
siegen! Ich sage Ihnen, General Johnston steht wie Eisen. Von altersher sind
die Gebirgsbefestigungen immer Zuflucht und Bollwerk der Völker gewesen, die
den Feind im Lande hatten. Denken Sie an die Thermopylen.«
    Scarlett
dachte angestrengt nach, konnte sich aber an keine Thermopylen erinnern.
    »In den
Thermopylen fielen alle, bis auf den letzten Mann, nicht wahr?« Um Rhett
Butlers Lippen zuckte ein Lächeln.
    »Wollen
Sie mich beleidigen, junger Mann?«
    »Doktor,
ich bitte Sie, ich möchte mich nur belehren lassen, in alter Geschichte läßt
mich mein Gedächtnis zuweilen im Stich.«
    »Wenn Not
am Mann ist, fällt unser Heer bis zum letzten Mann, ehe es die Yankees weiter
nach Georgia hereinläßt«, fuhr ihm der Doktor über den Mund. »Aber dazu kommt
es

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