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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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weil das schüchterne Kind an ihm hing und Rhett
seltsamerweise auch Wade liebzuhaben schien. Meistens fiel das Kind Scarlett
auf die Nerven, aber wenn Rhett es auf dem Arm hatte, war es immer still und
artig. Tante Pitty bemühte sich angestrengt, ein Aufstoßen zu unterdrücken,
denn der Hahn beim Abendessen war ein zäher alter Herr gewesen.
    In letzter
Minute war zu Tante Pittys kleiner Gesellschaft Rhett Butler als Gast, den sie
weder erwartete noch wünschte, hinzugekommen. Gerade, als der Duft des Bratens
das Haus erfüllte, hatte er an die Tür geklopft. Er kam von einer seiner
geheimnisvollen Reisen zurück, mit einer großen eingewickelten Schachtel
Konfekt unter dem Arm und dem Mund voller vieldeutiger Liebenswürdigkeiten für
Pitty. Es blieb nichts anderes übrig, als ihn zum Essen aufzufordern, obwohl
Tante Pitty wußte, was die Meades von ihm hielten und wie erbittert Fanny auf
jeden Mann war, der keine Uniform trug. Auf der Straße hätten weder Meades noch
Elsings mit ihm gesprochen; in einem befreundeten Haus aber mußten sie
natürlich höflich gegen ihn sein. Außerdem stand er jetzt entschiedener denn je
unter dem Schutz der zarten Melanie. Nachdem er sich für sie verwendet hatte,
um Nachrichten über Ashley zu bekommen, hatte sie öffentlich erklärt, ihr Haus
stehe ihm offen, solange es ihm beliebe einzutreten, einerlei, was andere
Menschen über ihn sagten.
    Tante
Pitty beruhigte sich ein wenig, als sie sah, daß der Kapitän sich von seiner
besten Seite zeigte. Er widmete sich Fanny Elsing so ehrerbietig und
teilnahmsvoll, daß er ihr sogar ein Lächeln entlockte, und bei Tisch ging alles
gut. Es war ein fürstliches Gelage. Carey Ashburn hatte etwas Tee mitgebracht,
den er im Tabaksbeutel eines gefangenen Yankees auf dem Wege nach Andersonville
gefunden hatte, und jeder bekam eine Tasse, die leicht nach Tabak schmeckte.
Für jeden fiel ein Bissen von dem zähen alten Hahn ab, die Sauce war aus
Maismehl hergestellt und mit Zwiebeln gewürzt, und dazu gab es Reis und
getrocknete Erbsen. Den Nachtisch ersetzte ein Auflauf von süßen Kartoffeln, zu
dem sich Rhett Butlers Bonbons gesellten, und als Rhett für die Herren echte
Havannazigarren hervorholte, die sie zu ihrem Glase Brombeerwein rauchen
konnten, waren alle darin einig, es sei ein wahrhaft lukullisches Mahl.
    Als die
Herren sich auf der vorderen Veranda zu den Damen gesellten, ging das Gespräch
auf den Krieg über. Jede Unterhaltung, wo immer sie auch stattfinden mochte,
ging vom Krieg aus oder führte auf den Krieg zurück. Kriegsschicksale,
Kriegstrauungen, Tod im Lazarett und im Felde, Anekdoten aus dem Lager, von der
Schlacht und den Märschen, Tapferkeit und Feigheit, Humor und Betrübnis,
Entbehrung und Hoffnung. Immer wieder Hoffnung, unbesiegt und unerschütterlich
trotz der Rückschläge des letzten Sommers.
    Als
Hauptmann Ashburn mitteilte, er habe ein Gesuch eingereicht, von Atlanta in das
Heer nach Dalton versetzt zu werden, und es sei ihm bewilligt worden,
liebkosten die Damen seinen steifen Arm mit den Blicken und verbargen ihren
Stolz unter dem Einwand, er dürfe nicht fort, denn wer sollte dann bei ihnen
den Verehrer spielen? Der junge Carey machte ein verwirrtes Gesicht, als er so
etwas von gesetzten Damen wie Mrs. Meade, Melanie, Tante Pitty und Fanny zu
hören bekam, und versuchte zu hoffen, daß Scarlett es damit ernst meinte.
    »Nun, er
ist ja im Handumdrehen wieder da«, sagte der Doktor und legte Carey den Arm um
die Schulter, »nur noch ein kleines Gefecht, und die Yankees reißen nach
Tennessee aus. Wenn sie aber erst dort sind, so wird General Forrest sich ihrer
schon annehmen. Meine Damen, Sie brauchen sich wegen der Sache nicht zu
ängstigen, denn General Johnston und sein Heer stehen in den Bergen wie eine
Wehr von Eisen. Ja, eine Wehr von Eisen«, wiederholte er und schmeckte den Satz
auf der Zunge nach. »Sherman kommt nicht durch. Gegen den alten Joe richtet er
nichts aus.«
    Die Damen
lächelten beruhigt. Die geringste Äußerung Dr. Meades galt als unbestreitbare
Wahrheit. Schließlich verstanden doch die Männer von solchen Dingen mehr als
die Frauen. Wenn der Doktor sagte, General Joe sei eine Wehr von Eisen, so war
er es auch. Nur Rhett äußerte etwas. Seit dem Abendessen hatte er schweigend in
der Dämmerung gesessen und mit herabgezogenen Mundwinkeln der Unterhaltung
zugehört, den Kopf des schlafenden Kindes an der Schulter.
    »Heißt es
nicht, Sherman habe über hunderttausend Mann, seitdem

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