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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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ich nach jenem Küßchen von damals ... «
    »Ich habe
niemals ...«
    »Dann sind
Sie kein nettes Mädchen, und das höre ich ungern. Alle wirklich netten Mädchen
wundern sich, wenn ein Mann sie nicht zu küssen versucht. Sie wissen zwar, daß
sie beleidigt tun müssen, wenn es geschieht, aber dennoch mögen sie es gern ...
Nun, Liebste, fasse Mut. Eines Tages werde ich dich küssen, und es soll mir
gefallen, aber jetzt noch nicht. Und ich bitte Sie, nicht ungeduldig zu
werden.«
    Sie wußte
ja, daß er sie nur neckte, aber das brachte sie wie immer in Wut. Es war zuviel
Wahres daran. Er sollte es nur je im Leben wagen!
    »Wollen
Sie so gut sein und wenden, Kapitän Butler, ich muß ins Lazarett zurück.«
    »Oh, Sie
helfender Engel, wahrhaftig. Also sind Ihnen Läuse und Dreck lieber als meine
Worte? Gut: ferne sei es von mir, ein Paar dienstwilliger Hände von der Arbeit
für unsere heilige Sache abhalten zu wollen.«
    Er ließ
das Pferd wenden, und sie machten sich auf den Weg nach Five Points zurück.
    »Warum ich
bei Ihnen bisher noch immer nicht weitergegangen bin?« fuhr er so unbefangen
fort, als habe er ihren Befehl, das Gespräch zu beenden, überhaupt nicht
gehört. »Ich warte nämlich darauf, daß Sie erwachsener werden. Sehen Sie, jetzt
hätte ich wenig davon, Sie zu küssen, und was mein Vergnügen angeht, so bin ich
darin ganz einfach selbstsüchtig. Mir ist noch nie die Lust angekommen, Kinder
zu küssen.«
    Er verbiß
sich das Lachen, als er aus den Augenwinkeln heraus sah, wie ihre Brust sich in
stummem Zorn hob und senkte. »Und dann«, fuhr er leise fort, »warte ich auch
darauf, daß die Erinnerung an den hochachtbaren Ashley Wilkes verblassen möge.«
    Als dieser
Name fiel, durchfuhr sie ein wilder Schmerz, und heiße Tränen brannten ihr
unter den Lidern. »Verblassen?« Das konnte die Erinnerung an Ashley nie, und
wenn er tausend Jahre tot wäre. Sie dachte an den Verwundeten, der fern im Gefangenenlager
auf dem Sterbebette lag, ohne Decke, sich einzuhüllen, und ohne eine liebende
Hand, die die seine hielt; und Haß gegen den wohlgenährten Mann an ihrer Seite
erfüllte sie. Sie war zu aufgebracht, um zu antworten, und eine Weile fuhren
sie schweigend weiter.
    »Ich
verstehe jetzt eigentlich alles, was Sie und Ashley angeht«, fing Rhett wieder
an. »Das erste, was ich sah, war Ihr wenig vornehmer Auftritt in Twelve Oaks,
und seitdem habe ich die Augen offen gehabt und noch manches erhascht - Zum Beispiel?
Nun, daß Sie immer noch eine romantische Backfischleidenschaft für ihn hegen
und pflegen, die er erwidert, soweit seine ehrenwerte Natur es ihm gestattet.
Auch, daß Mrs. Wilkes davon nichts ahnt und daß ihr alle beide sie an der Nase
führt. Ich verstehe also fast alles; nur eins verstehe ich nicht, und es reizt
meine Neugierde. Hat der ehrenwerte Ashley seine unsterbliche Seele jemals
durch einen Kuß auf Ihren Mund in Gefahr gebracht?«
    Steinernes
Schweigen und ein abgewendetes Gesicht waren die Antwort.
    »Gut, er
hat Sie also geküßt, vermutlich, als er hier auf Urlaub war. Nun aber ist er
wahrscheinlich tot, und Sie hegen seinen Kuß in Ihrem Herzen. Doch ich bin
überzeugt, Sie kommen schließlich darüber hinweg, und wenn Sie seinen Kuß
vergessen haben, will ich ... «
    Wie eine
Rasende wandte sie sich ihm zu: »Scheren Sie sich zum Teufel!« brach es aus ihr
hervor, und in den halbgeschlossenen grünen Augen funkelte die Wut. »Lassen Sie
mich aussteigen, ehe ich über das Rad weg hinausspringe. Ich wünsche nie wieder
ein Wort mit Ihnen zu reden!«
    Er hielt
an, aber ehe er aussteigen und ihr heraushelfen konnte, sprang sie mit einem
Satz auf die Straße. Mit dem Reifen ihres Rockes blieb sie dabei am Wagen
hängen, und für einen Augenblick boten sich Unterröcke und Hosen den Blicken
des Publikums von Five Points dar. Rhett Butler lehnte sich hinaus und machte
sie frei. Ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen, rauschte sie davon;
er aber lachte in sich hinein und schnalzte seinem Pferde zu.
    Zum
erstenmal seit Beginn des Krieges drang der Schlachtlärm bis nach Atlanta
hinein. In den frühen Morgenstunden, ehe die Geräusche der Stadt erwachten,
waren die Kanonen von Kennesaw Mountain aus weiter Ferne zu hören. Es war ein
schwaches, unbestimmtes Gedröhn, das einem fernen sommerlichen Gewitter glich.
Manchmal machte es sich selbst zur Mittagszeit noch durch den Lärm des Verkehrs
bemerkbar. Man versuchte, es nicht zu hören, suchte zu reden, zu lachen und
sich

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