Margaret Mitchell
Gottes!«
»Sie sind
so barbarisch ungebildet, wie ich noch nie einen Menschen gefunden haben.
Drogheda fiel sechzehnhundertundsoundsoviel, und das kann Mr. O'Hara kaum
mitgemacht haben. Außerdem ist Sherman nicht Cromwell.«
»Nein, er
ist noch schlimmer! Die Leute sagen ... «
»Und was
diese pikanten Gerichte betrifft, die die Ihren während der Belagerung gegessen
haben - mir persönlich wäre eine fette, saftige Ratte immer noch lieber als der
Fraß, den sie mir kürzlich im Hotel vorgesetzt haben. Ich werde wohl besser
nach Richmond gehen müssen, dort ißt man gut, wenn man bezahlen kann.«
Seine
Augen machten sich über ihr verängstigtes Gesicht lustig. Sie ärgerte sich,
ihre Furcht gezeigt zu haben, und sagte um so lauter: »Ich weiß nicht, warum
Sie überhaupt noch hier sind. Sie denken ja immer nur daran, wie Sie es sich
selber bequem machen und gut essen und all das!«
»Ich kann
mir keinen angenehmeren Zeitvertreib denken als gut essen und all das«, sagte
er, »und warum ich noch hier bin? Nun, ich habe viel von Belagerungen und
dergleichen gelesen, aber nie so etwas selber gesehen. Ich denke also, ich
bleibe hier und sehe es mir an. Verwundet werde ich kaum, weil ich ja Zivilist
bin. Ein neues Erlebnis soll man sich nie entgehen lassen, es bereichert den
Geist, Scarlett.«
»Mein
Geist ist reich genug.«
»Das
müssen Sie selbst am besten wissen, obwohl ich dachte ... aber nein, das ist ja
zu ungalant. Wer weiß, ob ich nicht etwa hierbleibe, um Ihnen zu helfen, wenn
es wirklich zu einer Belagerung kommt. Ich habe noch nie ein Mädchen aus der
Bedrängnis befreit. Auch das wäre ein neues Erlebnis für mich.«
Sie wußte
gut, daß er sie neckte, und doch spürte sie hinter seinen Worten den Ernst. Sie
warf den Kopf zurück. »Mich brauchen Sie nicht zu befreien, ich werde schon
allein fertig.«
»Scarlett,
sagen Sie das nie! Denken Sie es, wenn Sie wollen, aber sagen Sie es nie und am
allerwenigsten einem Mann. Eben dies ist das Schlimme bei den Yankeemädchen.
Sie wären ganz reizend, wenn sie nicht in einem fort versicherten, sie würden
mit allem allein fertig. Meistens sagen sie übrigens sogar die Wahrheit, Gott
beschütze sie, und deshalb lassen die Männer sie auch allein fertig werden.«
»Reden Sie
nicht soviel«, sagte sie kalt. Ärger konnte man sie nicht beleidigen, als wenn
man sie mit einem Yankeemädchen verglich. »Das mit der Belagerung ist sicher
eine Lüge, die Yankees kommen doch nicht nach Atlanta.«
»In einem
Monat sind sie hier. Ich wette eine Schachtel Bonbons gegen ... « Seine dunklen
Augen wanderten bis zu ihren Lippen hin, »gegen einen Kuß.«
Nur noch
einen kurzen Augenblick hielt die Angst vor den Yankees ihr Herz umklammert;
bei dem Wort »Kuß« hatte sie alles vergessen. Das war wieder vertrauter Boden
und weit interessanter als alle militärischen Erwägungen. Kaum hielt sie ein
glückliches Lächeln zurück. Seit dem Tage, da Rhett ihr den grünen Hut
gebracht, hatte er nie mehr etwas getan, was ihm als Verliebtheit ausgelegt
werden konnte. Nie ließ er sich zu einem persönlichen Gespräch herbei, so
geschickt sie ihn auch dazu zu verleiten suchte, und nun sprach er ganz ohne
jede Nachhilfe von ihrer Seite plötzlich vom Küssen.
»Ich bin
nicht für persönliche Gespräche«, sagte sie kühl, und es gelang ihr sogar ein
leichtes Runzeln der Stirn. »Und ... lieber noch küßte ich ein Schwein.«
»Jedem
Tierchen sein Pläsierchen. Ich habe immer gehört, die Iren hätten viel für
Schweine übrig und sie hielten sie sogar unter ihrem Bett. Scarlett, Scarlett,
du hast dringend nötig, geküßt zu werden. Das ist es, was dir fehlt. Alle deine
Verehrer haben viel zuviel Achtung vor dir gehabt, Gott allein mag wissen,
warum, und viel zuviel Angst, um mit dir umzugehen, wie sich's gehört. Dich
sollte einmal jemand küssen, der sich darauf versteht.«
Das
Gespräch nahm nicht den Verlauf, auf den sie es hatte leiten wollen; damit
hatte sie bei ihm niemals Glück. In solchen Wortgefechten zog sie jedesmal den
kürzeren.
»Und Sie
meinen wohl gar, Sie seien der Rechte dazu?« fragte sie mit mühsamer
Beherrschtheit.
»Freilich,
wenn es mir nur der Mühe wert wäre«, rief er hin, »man sagt, ich küsse gut.«
Sie war
wütend über diese Nichtachtung ihrer Reize, aber plötzlich schlug sie verwirrt
die Augen nieder. In der dunklen Tiefe seiner Blicke hatte sie etwas wie eine
winzige, nackte Flamme gesehen.
»Natürlich
haben Sie sich gewundert, daß
Weitere Kostenlose Bücher