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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sie,
sie längen noch im Fieber und all das hätte sich gar nicht ereignet. Vor allem
erschien ihnen Scarlett so verändert, daß sie sie immer wieder für eine
Wahngestalt ihrer Fieberträume hielten. Wenn sie sich über das Fußende ihres
Bettes beugte und die Arbeit beschrieb, die sie nach ihrer Genesung von ihnen
erwartete, sahen sie sie an wie einen bösen Geist. Es ging über ihr
Fassungsvermögen, daß für solche Arbeit nicht mehr hundert Sklaven dasein
sollten. Sie konnten nicht begreifen, daß eine O'Hara körperliche Arbeit tun
sollte.
    »Aber
Scarlett«, sagte Carreen, das süße kindliche Gesicht ganz ausdruckslos vor
Bestürzung, »ich kann doch nicht Kleinholz spalten, ich verderbe mir ja die
Hände!«
    »Sieh dir
meine an«, antwortete Scarlett kalt und streckte ihr die wunden, schwieligen
Handflächen hin.
    »Ich finde
es abscheulich von dir, daß du mit Carry und mir so sprichst!« ereiferte sich
Suellen. »Du lügst nur und willst uns erschrecken. Wäre Mutter da, sie würde
nicht dulden, daß du so mit uns redest. Kleinholz spalten, da hört doch alles
auf!«
    Mit
ohnmächtigem Haß blickte Suellen die ältere Schwester an und war überzeugt,
Scarlett sagte dies alles nur aus Bosheit. Suellen war dem Tode nahe gewesen,
sie hatte ihre Mutter verloren, sie fühlte sich verlassen und bedroht. Verzogen
wollte sie werden und bedauert und gestreichelt! Statt dessen schaute Scarlett
jeden Tag über das Fußende des Bettes nach ihr und Carreen, stellte mit kühler
Sachlichkeit in den schrägen grünen Augen fest, wieviel besser es ihnen schon
ginge, sprach von Bettenmachen, Gemüseputzen, Wasserholen und Kleinholzspalten.
Und sie sah dabei aus, als machte es ihr Spaß, so fürchterliche Dinge zu sagen.
    Es machte
Scarlett wirklich Spaß. Sie fuhr die Neger an und peinigte ihre Schwestern
nicht nur, weil sie den Kopf zu voll hatte und zu erschöpft war, um sich zu
beherrschen, sondern auch weil sie dann leichter die eigene Verbitterung
darüber vergaß, daß all das, was Mutter ihr vom Leben gesagt hatte, keine
Geltung mehr besaß. Nicht eine von all den Lehren der Mutter hatte noch den
geringsten Wert für Scarlett, und ihr war weh und ratlos ums Herz. Sie kam
nicht auf den Gedanken, daß Ellen unmöglich den Zusammenbruch der ganzen
Lebensform, in der sie ihre Töchter aufzog, hatte voraussehen oder ahnen
können, daß es die gesellschaftliche Stellung, für die sie sie so sorgsam
vorbereitete, eines Tages nicht mehr geben würde. Sie überlegte sich nicht, daß
Ellen eine unabsehbare Reihe ruhiger Jahre vor sich gesehen hatte, alle so
ereignislos und friedsam wie die ihres eigenen Lebens, als sie ihre Tochter
gelehrt harte, sanft und liebenswürdig, ehrenhaft und gütig, bescheiden und
wahrhaftig zu sein.
    Verzweifelt
dachte Scarlett: »Nichts, aber auch gar nichts, was sie mich gelehrt hat, kann
mir jetzt helfen. Was soll ich mit Freundlichkeit und Sanftmut! Lieber hätte
ich pflügen und Baumwolle rupfen lernen sollen wie ein Schwarzer. Ach, Mutter,
du hast dich geirrt!«
    Nur Tara
gegenüber war Scarletts Gefühl dasselbe geblieben. Nie kam sie müde über die
Felder heim und erblickte das weitgestreckte weiße Haus, ohne daß ihr vor Liebe
und vor Freude am Heimkommen das Herz aufging. Nie schaute sie aus ihrem
Fenster auf die grünen Weiden, die roten Felder und das hohe Laubgewirr der
Waldsümpfe, ohne sich beglückt zu fühlen. Ihre Liebe zu dieser Heimat war der
Teil ihres Lebens, der unwandelbar blieb, wenn alles andere sich wandelte.
Nirgends sonst in der Welt gab es ein Land wie dieses. Wenn sie es anschaute,
ging ihr eine Ahnung darüber auf, warum Kriege geführt wurden. Rhett hatte
unrecht, wenn er sagte, es geschähe um des Geldes willen. Nein, gekämpft wurde
um das wogende Gelände, in das der Pflug weich seine Furchen zog, um die Weiden
mit dem grünen Gras, um die trägen Flüsse und die weißen Häuser, die kühl
zwischen den Magnolien standen. Das war das einzige, was des Kampfes wert war,
die rote Erde, die den kämpfenden Männern gehörte und ihren Söhnen dereinst
gehören sollte, die rote Erde, die für Kinder und Kindeskinder Baumwolle trug.
Diese zertrampelten Felder von Tara waren das einzige, was ihr blieb, jetzt, da
sie die Mutter und Ashley verloren hatte, da Gerald unter den Schlägen des
Schicksals in hilflose Greisenhaftigkeit verfiel und Geld, Sklaven, Sicherheit
und gesellschaftliche Stellung über Nacht verschwunden waren. Wie aus einem
anderen Leben entsann sie

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