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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sich eines Gesprächs mit ihrem Vater über die Heimat
und wunderte sich, wie sie so jung und unwissend hatte sein können, daß sie den
Sinn seiner Worte nicht verstand: »Die Heimat ist das einzige auf der Welt, das
dauert, und wer nur einen Tropfen irisches Blut in sich hat, dem ist die
Heimaterde wie seine Mutter - das einzige auf der Welt, für das es sich lohnt
zu arbeiten, zu kämpfen und zu sterben.«
    Ja, Tara
war den Kampf wert; einfach und ohne zu fragen nahm sie ihn auf. Niemand sollte
ihr Tara entreißen und sie und die Ihren ins Elend treiben. Sie wollte Tara
halten, und müßte sie auch jeden, der dort wohnte, zu Tode schinden.
     
    26
     

Vierzehn
Tage waren seit Scarletts Rückkehr vergangen, als die größte Blase an ihrem Fuß
sich zu entzünden begann und anschwoll, bis sie nicht mehr den Schuh darüberziehen
konnte und nur noch auf der Ferse umherhumpelte. Verzweiflung ergriff sie, wenn
sie sich die entzündete Stelle betrachtete. Wenn es nun Brand wurde wie bei den
Soldaten und sie fern von allen Ärzten sterben mußte? So bitter das Leben auch
geworden war, lassen wollte sie es doch nicht. Und wer sollte für Tara sorgen,
wenn sie starb?
    Während
der ersten Tage hatte sie gehofft, in Gerald würde der alte Geist wieder
erwachen, aber in diesen zwei Wochen war die Hoffnung zuschanden geworden.
Jetzt wußte sie, daß, ob es ihr behagte oder nicht, das Schicksal der Plantage
und all ihrer Bewohner in ihren unerfahrenen Händen lag. Noch immer saß Gerald
still und sanft wie ein Träumer und starrte erschreckend geistesabwesend vor
sich hin. Wenn sie ihn um einen Rat fragte, gab er ihr die Antwort: »Tu, was du
für richtig hältst, Tochter«, oder gar, was noch schlimmer war: »Sprich mit
Mutter, Puß.«
    Er wurde
nicht wieder anders, und allmählich hatte Scarlett die Wahrheit begriffen und
sich mit ihr abgefunden - daß Gerald bis zu seinem Tode auf Ellen wartete und
lauschte. Er lebte in einem dämmerigen Grenzbereich, wo die Zeit stillstand und
Ellen sich im Nebenzimmer aufhielt. Als sie starb, war der Quell seines Daseins
versiegt und mit ihm all seine leichtherzige Sicherheit, seine dreiste,
rastlose Lebendigkeit. Ellen war das Publikum gewesen, vor dem das
geräuschvolle Drama des Gerald O'Hara sich abgespielt hatte. Nun war der
Vorhang für immer gefallen, das Rampenlicht ausgelöscht, das Publikum war
plötzlich verschwunden, während der betäubte, alte Schauspieler auf seiner
verlassenen Bühne stehenblieb und auf das Stichwort wartete.
    Diesen
Morgen war das Haus still, denn außer Scarlett, Wade und den drei Kranken war
jedermann im Waldsumpf auf Jagd nach der Sau, sogar Gerald hatte sich ein wenig
aufgerafft und war über die welligen Felder gestapft, die eine Hand auf Porks
Arm, in der anderen ein aufgerolltes Seil. Suellen und Carreen hatten sich in
den Schlaf geweint, wie es des öfteren am Tage geschah, wenn sie an Ellen dachten
und Tränen des Kummers und der Schwäche ihre eingesunkenen Wangen herabliefen.
Melanie, die heute zum erstenmal, an Kissen gelehnt, aufrecht gesessen hatte,
lag jetzt unter einem geflickten Laken zwischen den beiden Babys, den weichen
Flachskopf des einen im linken, den wolligen schwarzen Kopf von Dilceys Kleinem
ebenso sanft im rechten Arm geborgen. Wade aber saß am Fußende des Bettes und
hörte zu, wie sie ein Märchen erzählte.
    Die Stille
auf Tara war Scarlett unerträglich. Sie gemahnte sie allzu schmerzlich an die
Totenstille des verwüsteten Landes, durch das sie ihr Weg von Atlanta hierher
an jenem grauenvollen, endlosen Tage geführt hatte. Die Kuh und das Kalb hatten
seit Stunden keinen Laut von sich gegeben. Vor dem Fenster zwitscherte kein Vogel,
und selbst die lärmende Spottdrosselfamilie, die von jeher zwischen den
raschelnden Blättern der Magnolie hauste, wußte heute kein Lied zu singen.
Scarlett hatte einen niedrigen Stuhl an das offene Fenster ihres Schlafzimmers
gezogen und schaute über die Einfahrt, den Rasen und die Koppel jenseits der
Straße hin. Die Röcke hatte sie hoch über die Knie gezogen und das Kinn auf die
Fensterbank gestützt. Neben ihr stand ein Eimer mit Brunnenwasser, und alle
paar Minuten steckte sie den wunden Fuß hinein und verzog bei dem Schmerz der
Kühlung das Gesicht.
    Gerade,
wenn sie ihre Kraft am notwendigsten brauchte, mußte ihr dies widerfahren! Nie
im Leben würden diese Tölpel die Sau fangen; eine Woche hatten sie benötigt, um
die Ferkel einzeln einzubringen, und jetzt, nach vierzehn Tagen,

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