Margaret Mitchell
wurde ihr heiß und kalt, wenn »Dixie« erklang. Bei den
Entbehrungen der letzten Monate, bei den widerwärtigen Pflichten des
Krankendienstes, den Ängsten der Belagerung und dem Hunger war ihr nicht die
Glut der Begeisterung zur Hilfe gekommen, mit der alle anderen das Ungemach
gern ertragen hatten, solange es nur mit der großen Sache aufwärtsging. Nun war
alles vorüber und ausgestanden, und sie weinte ihm keine Träne nach.
Auf dem
langen Weg, den sie in diesen vier Jahren zurückgelegt hatte, war an
irgendeiner Biegung das zierliche Mädchen mit ihrem Parfüm und ihren
Tanzschuhen entschwunden, und geblieben war eine Frau mit scharfen grünen
Augen, die die Cents zählte und mit den Händen Magcidienste tat und die aus dem
allgemeinen Zusammenbruch nichts gerettet hatte als die unzerstörbare rote
Erde, auf der sie stand.
Ihr Geist
war geschäftig, während sie in der Halle stand und auf das Schluchzen der
Mädchen lauschte. »Wir pflanzen mehr, viel mehr Baumwolle«, sagte sie sich.
»Morgen schicke ich Pork nach Macon, um Samen zu kaufen. Die Yankees verbrennen
sie uns nicht mehr, und unsere Truppen haben sie nicht mehr nötig, und im
Herbst müssen die Baumwollpreise himmelhoch steigen.«
Sie ging
in das kleine Schreibzimmer, ohne die weinenden Mädchen auf dem Sofa zu
beachten, setzte sich an den Sekretär und nahm die Feder zur Hand, um zu
rechnen. Der Krieg war aus! Plötzlich legte sie die Feder hin, von einem wilden
Glücksgefühl überflutet. Der Krieg war aus, und Ashley ... wenn Ashley noch
lebte, karft er jetzt nach Haus! Ob Melanie in all ihrer Trauer um die
verlorene Sache überhaupt an ihn dachte? Bald mußte ein Brief kommen ... nein,
Briefe konnten ja nicht kommen. Aber bald ... ach, irgendwie werden sie schon
von ihm hören.
Aber aus
Tagen wurden Wochen, und von Ashley kam keine Nachricht. Im Süden war der
Postdienst unsicher, und in den ländlichen Bezirken gab es überhaupt keine
Zustellung. Dann und wann brachte jemand, der auf der Durchreise vorbeikam,
einen Brief von Tante Pitty aus Atlanta, voll tränenreichen Flehens, die
Mädchen möchten zurückkommen.
Aber von
Ashley kam kein Wort.
Nach der
Kapitulation schwebte zwischen Scarlett und Suellen ein unaufhörlicher Zwist
wegen des Pferdes. Da die Yankees nicht mehr zu fürchten waren, wollte Suellen
bei den Nachbarn Besuche machen. Sie fühlte sich einsam und entbehrte die
glückliche Geselligkeit früherer Tage. Sie sehnte sich danach, ihre alten
Freunde wiederzusehen, wäre es auch nur, um sich davon zu überzeugen, daß es in
der übrigen Provinz nicht besser aussah als auf Tara. Aber Scarlett war nicht dazu
zu bewegen, das Pferd herzugeben. Es war zum Arbeiten da, es mußte Holz aus den
Wäldern holen, pflügen und für Porks Nahrungsmittelsuche zur Verfügung stehen.
Dann hatte es sonntags das wohlverdiente Recht auf Ruhe. Wenn Suellen Besuche
machen wollte, so mochte sie zu Fuß gehen.
Suellen
war in ihrem Leben noch nicht hundert Meter zu Fuß gegangen; so blieb sie denn
zu Hause, klagte und weinte und brach schließlich in den Ruf aus: »Ach, wäre
nur Mutter hier!« Daraufhin gab Scarlett ihr die lange versprochene Ohrfeige
mit solcher Gewalt, daß sie schreiend auf das Bett fiel und das ganze Haus in
Aufruhr versetzte. Fortan nahm sie sich jedoch, wenigstens in Scarletts
Gegenwart, mehr zusammen.
Durch die
Besuche, die Scarlett selber schon in der Provinz gemacht hatte, war ihr Mut
heftiger ins Wanken geraten, als sie zugeben mochte. Der Anblick der alten
Freunde und der vertrauten Besitzungen war erschütternd.
Fontaines
waren, dank Sallys Gewaltritt, noch am besten davongekommen, aber nur im
Vergleich zu der verzweifelten Lage anderer Nachbarn. Die alte Großmutter hatte
sich nie mehr völlig vom dem Herzanfall erholt, den sie erlitt, nachdem sie den
anderen voran die Flammen bekämpft und das Haus so gerettet hatte. Dem alten
Dr. Fontaine war ein Arm abgenommen worden, und er genas nur langsam davon.
Alex und Tony handhabten unbeholfen den Pflug und die Hacke. Als Scarlett kam,
begrüßten sie sie mit einem Gelächter über ihren gebrechlichen Wagen, aber
nicht ohne Bitterkeit, denn sie lachten über sich selber. Scarlett fragte, ob
sie bei ihnen Maissamen kaufen könnte, und es entspann sich zwischen ihnen ein
Gespräch über landwirtschaftliche Fragen. Fontaines besaßen zwölf Hühner, zwei
Kühe, fünf Schweine und das Maultier, das sie aus dem Krieg mit heimgebracht
hatten. Ein Schwein war eben eingegangen,
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