Margaret Mitchell
wo
Beatrice sich doch solche Mühe gab, tapfer zu sein!
In dem von
einer Backsteinmauer umgebenen Platz unter den hohen Zedern standen zwei so
neue Marmorsteine, daß noch kein Regen sie mit Erde bespritzt hatte. »Vorige
Woche haben wir sie bekommen«, sagte Mrs. Tarleton stolz. »Mr. Tarleton hat sie
im Wagen aus Macon geholt.«
Grabsteine!
Wieviel mußten die gekostet haben! Plötzlich fühlte Scarlett etwas von ihrem
Mitleid mit den Tarletons schwinden. Wer so viel kostbares Geld an Grabsteine
verschwendete, während die täglichen Bedürfnisse kaum zu erschwingen waren,
verdiente kein Mitleid. Auf jedem Stein waren mehrere Zeilen eingemeißelt.
Wieviel Geld mußte es gekostet haben, die Leichen der drei Gefallenen nach
Hause zu überführen! Von Boyd hatte man nie eine Spur gefunden. Zwischen den
Gräbern von Brent und Stuart stand ein Stein mit der Inschrift: »Im Leben lieb
und treu, im Tode ungetrennt.« Auf dem anderen Stein waren Boyds und Toms Namen
eingemeißelt, dazu ein lateinischer Spruch, der mit »Dulce et ...« anfing, aber
Scarlett verstand ihn nicht. Es war ihr seinerzeit auf der Töchterschule in Fayetteville
gelungen, sich ums Latein zu drücken.
»So viel
Geld für Grabsteine! Narren sind sie.« Sie war so empört, als wäre ihr eigenes
Geld vergeudet worden.
Carreens
Augen glänzten. »Schön ist das«, flüsterte sie und wies auf den ersten Stein.
Das sah ihr ähnlich. Jede Sentimentalität ging ihr zu Herzen.
»Ja«,
sagte Mrs. Tarleton mit weicher Stimme, »wir fanden, die Worte paßten so gut
... die beiden sind fast im gleichen Augenblick gefallen, zuerst Stuart und
dann Brent, als er die Fahne ergriff, die seinem Bruder entglitt.«
Als die
Mädchen nach Tara zurückfuhren, schwieg Scarlett und mußte daran denken, was
sie in den verschiedenen Häusern gesehen hatte und wie es nächstes Jahr darin
aussehen würde. Bald würden nun all diese Felder voll von kleinen
Kiefernschößlingen stehen, denn ohne Schwarze konnte niemand sie ordnungsgemäß
bestellen. Langsam mußte der Urwald alles verschlucken. Was aber sollte aus den
Plantagenbesitzern werden, wenn keine Baumwolle mehr gezogen wurde! Alles Leben
auf diesen Besitzungen würde um hundert Jahre zurückgebracht werden. Man würde
wieder wie die ersten Pioniere in kleinen Hütten wohnen und ein paar armselige
Morgen umgraben. Ein trostloses Dasein! »Nein«, dachte sie grimmig, »so weit
soll es auf Tara nicht kommen, und wenn ich selber pflügen muß. Ganz Georgia
kann meinetwegen wieder zum Urwald werden,
Tara soll
es nicht.« Wenn nur männliche Hilfe vorhanden wäre! Nicht der Verlust der
Schwarzen war das Schlimmste, sondern der Verlust der jungen Männer. Ach, wenn
sie alle da wären, deren Namen in den Verlustlisten gestanden hatten! Dann
könnte man es schaffen. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Wenn sie nun wieder
heiratete? Aber nein, daran war nicht zu denken. Sie hatte nie einen anderen
gewollt als Ashley. Aber angenommen, sie wollte doch wieder heiraten ... war
denn jemand zum Heiraten da? Der Gedanke war erschütternd.
»Melly,
was soll aus den Mädchen in den Südstaaten werden?«
»Wie
meinst du das?«
»Genau wie
ich es sage. Was soll aus ihnen werden? Es ist niemand mehr da, der sie
heiraten kann. Melly, im ganzen Süden müssen ja Tausende von Mädchen als alte
Jungfern sterben.«
»Und
können niemals Kinder bekommen!« fügte Melly traurig hinzu.
Diese
Gedanken waren Suellen, die hinten im Wagen saß, offenbar nicht mehr neu, denn
sie fing plötzlich an zu weinen. Seit Weihnachten hatte sie nichts mehr von
Frank Kennedy gehört und wußte nicht, ob der mangelhafte Postbetrieb oder etwa
Franks Gleichgültigkeit daran schuld war. Vielleicht war er noch in den letzten
Tagen des Krieges gefallen? Das wäre ihr immer noch lieber, als wenn er sie
vergessen hätte.
»Ach, um
Gottes willen, Sue, sei still«, rief Scarlett »Ihr habt gut reden«, schluchzte
Suellen. »Ihr seid verheiratet gewesen und habt ein Kind gehabt und wißt, daß
euch ein Mann geliebt hat. Aber seht doch mich an! Und nun müßt ihr so gemein
sein und mir sagen, daß ich eine alte Jungfer bin. Das ist häßlich von euch.«
»Ach, sei
still, du weißt doch, ich kann das ewige Heulen nicht aushalten. Dein alter
Gelbbart kommt schon eines Tages wieder und heiratet dich, weil ihm nichts
Besseres einfällt. Ich persönlich würde lieber eine alte Jungfer, als daß ich
ihn heiratete.«
Eine Weile
war es hinten im Wagen still. »Ach«, seufzte
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