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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und sie waren in großer Sorge wegen
der anderen. Als Scarlett diese beiden jungen Herren, die früher nie einen
ernsteren Gedanken als etwa die Auswahl der elegantesten Krawatte im Kopf
gehabt hatten, so sachlich über Schweinefragen reden hörte, brach sie ebenfalls
in ein Gelächter aus, und auch bei ihr war es von Bitterkeit erfüllt.
    Fontaines
hatten sie herzlich in Mimosa willkommen geheißen und darauf bestanden, ihr den
Maissamen zu schenken. Der rasch entflammbare Fontainesche Zorn erwachte, als
sie einen Unionschein auf den Tisch legte, und sie verweigerten rundweg die
Annahme des Geldes. Scarlett nahm den Samen und steckte Sally heimlich eine
Dollarnote in die Hand. Sally hatte sich vollkommen verändert, seitdem sie vor
acht Monaten Scarlett bei ihrem ersten Besuche begrüßt hatte. Schon damals war
sie blaß und traurig, aber doch voller Spannkraft gewesen. Nun aber hatte das
unglückliche Ende des Kriege alle Hoffnung und damit auch allen Lebensmut von
ihr genommen.
    »Scarlett«,
flüsterte sie, als sie den Schein nahm, »wozu ist das nun alles gewesen? Warum
haben wir überhaupt gekämpft? Ach, mein armer Joe, mein armes Kleines!«
    »Gott
weiß, warum wir gekämpft haben, mir ist es einerlei«, erwiderte Scarlett. »Mich
geht es nichts an, und ich war nie mit dem Herzen dabei. Der Krieg ist Sache
der Männer, nicht der Frauen. Mich interessiert jetzt einzig und allein die
Baumwollernte. Nimm den Dollar, und kauf dem kleinen Joe etwas anzuziehen, er
hat es wahrhaftig nötig. Ich will euch eures Saatgutes nicht berauben, und wenn
Alex und Tony auch noch so höflich sind.«
    Die jungen
Männer begleiteten sie an den Wagen, höflich auch in Lumpen, fröhlich und
leichtherzig auf die Fontainesche Art, und halfen ihr hinein. Aber mit dem
Eindruck ihrer Verelendung vor Augen fuhr Scarlett schaudernd von Mimosa weg.
Wie satt hatte sie Armut und Dürftigkeit! Wie schön wäre es, reiche Leute zu
kennen, die sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, woher die nächste Mahlzeit
zu nehmen sei!
    Cade
Calvert war daheim in Pine Bloom, und als Scarlett die Stufen zu dem alten
Hause hinaufstieg, wo sie in glücklicheren Tagen so oft getanzt hatte, sah sie
an seinem Gesicht, daß er vom Tod gezeichnet war. Er bestand nur noch aus Haut
und Knochen und lag hustend in einem Lehnsessel in der Sonne, mit einer Decke
über den Knien, aber sein Gesicht strahlte, als er Scarlett sah. Nur eine
kleine Erkältung, die sich auf der Brust festgesetzt habe, beteuerte er und
erhob sich mühsam, um sie zu begrüßen. Er habe zu oft im Regen übernachtet, da
habe er es sich geholt, aber bald sei es vorüber, und dann wolle er bei der
Arbeit mithelfen. Cathleen Calvert kam heraus, sobald sie Stimmen vernahm, und
als Scarlett über Cades Kopf hinweg ihrem Blick begegnete, las sie darin
bittere Erkenntnis und Verzweiflung. Cade ahnte nicht, wie es um ihn stand,
aber Cathleen wußte es. Pine Bloom sah verwahrlost aus und stand voller
Unkraut. Kiefernschößlinge hatten sich auf den Feldern angesiedelt, das Haus
war baufällig und unordentlich. Cathleen hatte scharfe, magere Züge.
    Die beiden
wohnten mit ihrer Yankeestiefmutter, vier kleinen Stiefschwestern und dem
Aufseher Hilton, der gleichfalls ein Yankee war, in dem stillen, unheimlich
widerhallenden Hause. Scarlett hatte von Hilton nie mehr gehalten als von ihrem
eigenen Aufseher Wilkerson. Jetzt aber war er ihr noch mehr zuwider, wie er da
angeschlendert kam und sie wie Gleichstehende begrüßte. Früher war er, wie
Wilkerson, unterwürfig und unverschämt zugleich gewesen, aber seit dem Tode Mr.
Calverts und Raifords und seit Cades Krankheit war alle Dienstbeflissenheit von
ihm gewichen. Die »zweite Mrs. Calvert« hatte nicht einmal verstanden, sich bei
ihren schwarzen Dienstboten in Respekt zu setzen; es war nicht zu erwarten, daß
es ihr bei einem Weißen besser gelang.
    »Mr.
Hilton ist so gut zu uns gewesen und die ganze schwere Zeit hindurch bei uns
geblieben«, sagte Mrs. Calvert unruhig und warf ihrer schweigenden Stieftochter
einen langen Blick zu. »Sie haben wohl gehört, daß er zweimal, als Shermans
Truppen hier waren, das Haus gerettet hat. Wie wir ohne ihn fertig geworden
wären, weiß ich nicht. Wir hatten ja kein Geld ...«
    Eine
dunkle Röte zog über Cades bleiches Gesicht, und Cathleen verbarg die Augen
hinter ihren langen Wimpern. Ein harter Zug erschien um ihren Mund.
    Scarlett
wußte, wie ihre Seele sich in ohnmächtiger Wut darüber verzehrte, daß sie

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