Margaret Mitchell
worden war und sich immer noch
für Männer interessierte. Sie sagte es Will, aber er schüttelte den Kopf.
»Miß
Carreen nicht«, sagte er in einer Art, die keinen Widerspruch zuließ.
Mit Will
ließ es sich so angenehm plaudern, weil er selber so wenig zu sagen hatte und doch
so gut zuhören konnte. Sie erzählte ihm von all ihren Sorgen, dem Jäten, Hacken
und Pflanzen, dem Mästen der Schweine und dem Aufziehen des Kalbes, und er gab
ihr mancherlei gute Ratschläge, denn er hatte in Süd-Georgia eine kleine Farm
und zwei Neger besessen. Er wußte, daß seine Sklaven jetzt frei waren und auf
dem Hof das Unkraut emporschoß. Seine Schwester, die einzige Angehörige, die er
besaß, war vor Jahren mit ihrem Mann nach Texas gezogen, und er stand allein.
Aber all das schien ihm nicht mehr Kopfzerbrechen zu bereiten als das Bein, das
er in Virginia verloren hatte.
Ja, Will
war für Scarlett ein Trost nach den schweren Tagen, wenn die Neger murrten,
Suellen jammerte und Gerald immer wieder nach Ellen fragte. Ihm konnte sie
alles erzählen. Sie verschwieg ihm nicht einmal, wie sie den marodierenden
Yankee erschossen hatte, und sie strahlte vor Stolz, als er anerkennend dazu
nickte: »Gut gemacht!«
Nach und
nach fand die ganze Familie den Weg in Wills Zimmer, um alle erdenklichen Kümmernisse
auszukramen. Sogar Mammy erschien, nachdem sie zuerst den gehörigen Abstand
gewahrt hatte, weil er nicht vom besten Stand war und nur zwei Sklaven besessen
hatte.
Als er
wieder durchs Haus humpeln konnte, fing er an, Spankörbe zu verfertigen und die
beschädigten Möbel auszubessern. Er verstand sich aufs Schnitzen, und Wade war
beständig in seiner Nähe, weil er ihm Spielzeug schnitzte, das einzige, das der
kleine Junge hatte. Wenn Will im Hause war, konnte man ihm getrost Wade und
auch die beiden Kleinen überlassen, während die Erwachsenen ihren Pflichten
nachgingen. Er beaufsichtigte sie so gut wie Mammy, und einzig Melly verstand
es noch besser als er, die Babys, wenn sie schrien, zu beruhigen.
»Sie sind
so gut zu mir gewesen, Miß Scarlett«, sagte er, »und ich bin doch ein Fremder,
und Sie haben nichts von mir. Ich habe Ihnen ungeheuer viel Sorgen und Mühe
gemacht, und wenn Sie nichts dagegen haben, bleibe ich hier und helfe Ihnen bei
aller Arbeit, bis ich Ihnen etwas von alledem vergelten kann. Bezahlen kann ich
es Ihnen nicht, denn für sein Leben kann niemand bezahlen.«
So blieb
er denn da, und allmählich und ganz unmerklich nahm er auf seine knochigen
Schultern einen großen Teil der Last, die Scarlett bisher allein hatte tragen
müssen.
Der September
nahte, und es wurde Zeit, die Baumwolle zu pflücken. In dem wohligen
Sonnenschein eines frühen Herbstnachmittags saß Will Benteen auf den Stufen vor
dem Hauseingang zu Scarletts Füßen und erging sich mit seiner tonlosen Stimme
lang und breit über die ungeheuren Kosten, die das Entkörnen der Baumwolle in
der neuen Maschine bei Fayetteville verursachen mußte. Aber er hatte gerade
heute in Fayetteville erfahren, daß er ein gutes Viertel der Kosten sparen
könnte, wenn er dem Besitzer der Maschine auf vierzehn Tage Pferd und Wagen
borgte. Er hatte den Tauschhandel noch nicht abgeschlossen, weil er erst mit
Scarlett darüber sprechen wollte.
Sie
betrachtete die schmächtige Gestalt, die dort auf einer Stufe kauerte und an
einem Strohhahn kaute. Zweifellos hatte der Herr im Himmel ihnen Will
geschickt, wie Mammy häufig erklärte. Scarlett fragte sich oft, wie Tara sich
in den letzten Monaten ohne ihn überhaupt hätte halten sollen. Er hatte nie
viel zu sagen und machte nie einen sonderlich tatkräftigen und beschäftigten
Eindruck, aber er wußte alles, was in Tara vorging. Schweigend, geduldig und
sachgemäß tat er alles, was gerade zu tun war. Trotz dem Verlust eines Beines
arbeitete er rascher als Pork. Auch brachte er es fertig, Pork zum Arbeiten
anzuhalten, was nach Scarletts Ansicht kaum mit rechten Dingen zugehen konnte.
Wenn die Kuh Kolik hatte oder das Pferd von geheimnisvollen Beschwerden
heimgesucht wurde, die es ihnen auf immer zu nehmen drohten, saß Will
nächtelang auf und rettete den Tieren das Leben. Daß er ein gerissener
Geschäftsmann war, trug ihm Scarletts besondere Achtung ein. Er konnte morgens
mit einem oder zwei Maß Äpfeln, Bataten und anderem Gemüse fortreiten, um
abends mit allerhand Sämereien, Tuch, Mehl und sonstigen Bedarfsartikeln
zurückzukehren, die sie selbst nie dafür bekommen hätte, obwohl doch auch sie
sich
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