Margaret Mitchell
einigermaßen aufs Handeln verstand.
Allmählich
war er unmerklich zu einem Mitglied der Familie geworden und schlief auf einem
Feldbett in dem kleinen Ankleideraum neben Geralds Zimmer. Vom Fortgehen sprach
er nicht, und Scarlett vermied es behutsam, diesen Punkt zu berühren. In ihren
Gedanken betete sie inbrünstig, er möge weiter bei ihnen bleiben. Es war eine
so große Erleichterung, einen Mann im Hause zu haben.
Wenn
Carreen nur so viel Verstand hätte wie eine Maus, so mußte sie sehen, daß Will
sie gern hatte. Scarlett wäre ihm ewig dankbar gewesen, wenn er um Carreens
Hand angehalten hätte. Vor dem Kriege freilich wäre er keinesfalls ein
willkommener Bewerber gewesen. Er gehörte ganz und gar nicht zur Klasse der
Plantagenbesitzer, doch auch wieder nicht zur proletarischen Schicht. Es war
ein schlichter kleiner Maisbauer, halbgebildet, zu grammatikalischen Fehlern
neigend, ohne die feineren Manieren, die die O'Haras bei einem Gentleman voraussetzten.
Scarlett wußte nicht recht, ob er überhaupt als Gentleman gelten konnte, und
entschied sich schließlich dagegen. Melanie jedoch trat eifrig für ihn ein und
sagte, jeder, der ein gutes Herz und soviel Aufopferungsfähigkeit wie Will
besäße, sei auch vornehm von Geburt. Ellen hätte den Gedanken kaum ertragen,
daß eine ihrer Töchter einen solchen Mann heiraten sollte, aber die
Notwendigkeiten des Lebens hatten Scarlett schon allzuweit von Ellens Lehren
entfernt, als daß sie sich darüber noch Gedanken machte. Männer waren selten,
irgendeinen mußte ein Mädchen heiraten, und Tara brauchte einen Mann. Carreen
jedoch versenkte sich immer tiefer in ihr Gebetbuch und verlor sich täglich
mehr aus der Welt der Wirklichkeit. Sie behandelte Will so freundlich wie einen
Bruder und nahm ihn als etwas so Selbstverständliches hin wie Pork »Wenn
Carreen mir nur im mindesten für all das, was ich getan habe, dankbar wäre, so
heiratete sie ihn und ließe ihn nicht mehr von hier fortgehen«, dachte Scarlett
entrüstet. »Statt dessen verliert sie ihre Zeit damit, einem dummen Jungen
nachzutrauern, der wahrscheinlich nie einen ernsthaften Gedanken an sie
gewendet hat.«
Will blieb
also weiter auf Tara, und die sachliche Art, mit der er Scarlett begegnete, als
wäre sie ein Mann, empfand sie als angenehm und nützlich. Gegen den verstörten
Gerald legte er eine ernste Ehrerbietung an den Tag, aber Scarlett betrachtete
er als das eigentliche Haupt der Familie.
Sie gab
ihre Einwilligung dazu, daß das Pferd vermietet wurde, obwohl dann die Familie
vorübergehend ihres Beförderungsmittels beraubt war. Besonders Suellen würde
das schmerzlich empfinden. Sie hatte die größte Freude daran, mit Will nach
Jonesboro und Fayetteville zu fahren, wenn er dort etwas zu erledigen hatte.
Mit dem Besten herausgeputzt, was in der Familie aufzutreiben war, besuchte sie
dort alte Freunde, erfuhr den laufenden Klatsch aus der Provinz und fühlte sich
wieder als Miß O'Hara auf Tara.
Sie ließ
niemals die Gelegenheit vorübergehen, die Plantage zu verlassen, um unter
Menschen, die nicht wußten, daß sie Betten machte und im Garten jätete, vornehm
zu tun.
Melanie
kam zu Scarlett und Will auf die Veranda hinaus, das Kleine im Arm; sie
breitete eine alte Decke auf den Fußboden und setzte das Kind darauf, damit es
dort herumkrieche. Seit dem Eintreffen des Briefes von Ashley hatte Melanie
ihre Zeit bald singend und von Glück überquellend, bald sehnsüchtig und voller
Sorgen zugebracht. Immer noch aber sah sie viel zu mager und bleich aus.
Klaglos tat sie die Arbeit, die ihr zugewiesen wurde, es ging ihr jedoch nicht
gut dabei. Der alte Dr. Fontaine stellte ein Frauenleiden fest und sagte, wie
Dr. Meade, sie hätte das Kind nie haben dürfen und ein zweites würde sie das
Leben kosten.
»Drüben in
Fayetteville«, sagte Will, »habe ich heute etwas gefunden, was die Damen
vielleicht interessiert, und ich habe es mitgebracht.« Er suchte in den Taschen
und brachte eine Brieftasche zum Vorschein, die Carreen ihm aus Baumrinde
verfertigt und mit Kattun überzogen hatte. Dann zog er eine konföderierte
Banknote daraus hervor.
»Wenn Sie
konföderiertes Geld für etwas Interessantes halten, Will - ich tue es nicht«,
sagte Scarlett kurz. Schon der Anblick solcher Banknoten brachte sie in Zorn.
»Wir haben jetzt noch dreitausend Dollar davon in Pa's Koffer. Mammy setzte mir
zu, ich solle damit die Wände ihrer Dachstube überkleben, damit es nicht
durchzieht. Ich glaube, ich tue
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