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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Kleid nähen müssen, damit sie voller wirke, und wie hatte sie immer die
Mädchen verachtet, die zu solchen Mitteln ihre Zuflucht nahmen! Rüschen! Dabei
fiel ihr etwas anderes ein. Ihre Kleider! Sie blickte an sich hinunter und
breitete die geflickten Falten ihres Rockes mit den Händen weit aus. Und Rhett
liebte es, wenn eine Frau elegant angezogen war. Sehnsüchtig gedachte sie des
spitzenbesetzten grünen Kleides, das sie nach der Trauer zuerst zu dem grünen
Federhut getragen, den er ihr mitgebracht hatte - und der beifälligen
Anerkennung, die er ihr gezollt hatte. Sie gedachte aber auch mit einem Haß,
den der Neid verschärfte, des roten Plaidkleides, der rot eingefaßten Stiefel
mit Quasten und des modischen Pfannkuchenhutes, den Emmie Slattery getragen
hatte. Auffallend waren sie freilich, aber modern und schick. Ach, wenn Rhett
Butler sie in ihren alten Kleidern sah, so wußte er, daß es in Tara nicht so ging,
wie es gehen sollte, und das durfte er nicht wissen.
    Wie dumm
von ihr, zu meinen, sie brauchte nur nach Atlanta zu gehen und die Hand nach
ihm auszustrecken - sie mit ihrem mageren Hals, ihren hungrigen Katzenaugen und
ihrem zerlumpten Kleid! Wenn sie ihm auf der Höhe ihrer Schönheit nicht einmal
einen Heiratsantrag hatte abluchsen können, als sie ihre herrlichen Kleider
hatte, wie sollte sie das jetzt, da sie häßlich war und schäbig angezogen? Wenn
Miß Pitty wahr berichtete, dann mußte er mehr Geld haben als irgend jemand in
Atlanta, und damit hatte er unter allen hübschen Frauen und Frauenzimmern die
Auswahl. Nun, dachte sie grimmig, ich habe etwas, was die meisten schönen Damen
nicht haben: ich weiß, was ich will. Und hätte ich nur ein hübsches Kleid dazu
...
    Auf Tara
gab es kein hübsches Kleid, überhaupt keins, das nicht mindestens zweimal
gewendet und obendrein geflickt war.
    Sie
blickte trübselig zu Boden. Da lag Ellens moosgrüner Plüschteppich, fleckig,
abgenutzt und verschlissen von den unzähligen Soldaten, die darauf geschlafen
hatten. Der Anblick stimmte sie noch trüber. Das war Tara, und Tara war ebenso
zerlumpt wie sie. Sie ging nachdenklich ans Fenster, schob das Schiebefenster
in die Höhe, machte die Läden auf und ließ den letzten Schein des winterlichen
Sonnenuntergangs in das Zimmer hinein. Dann schloß sie das Fenster wieder,
lehnte den Kopf gegen die Samtvorhänge und blickte hinaus über die kahlen
Felder bis zu den dunklen Zedern des Friedhofes. Die moosgrünen Samtvorhänge
fühlten sich prickelnd und weich an, und dankbar wie ein Kätzchen rieb sie die
Wange dagegen. Und plötzlich faßte sie den Stoff genauer ins Auge.
    Eine
Minute darauf zog sie einen Tisch über den Fußboden, daß die rostigen Rollen
empört quietschten, rückte ihn ans Fenster, raffte die Röcke zusammen,
kletterte hinauf und stellte sich auf die Zehenspitzen, um die schwere
Gardinenstange zu fassen. Sie konnte sie kaum erreichen und griff so gewaltsam
danach, daß die Nägel aus dem Holz gerissen wurden und die Vorhänge mitsamt der
Stange krachend zu Boden fielen.
    Sogleich
öffnete sich die Tür, und Mammys breites schwarzes Gesicht, Neugier und Argwohn
in jedem Fältchen, erschien im Rahmen. Empört sah sie Scarlett auf dem Tisch
stehen, die Röcke über den Knien zusammengenommen, bereit, auf den Fußboden zu
springen. Aber in Scarletts Gesicht lag so viel Aufregung und Genugtuung, daß
Mammys äußerstes Mißtrauen lebendig wurde.
    »Was soll
das da mit Miß Ellens Portieren?« fragte Mammy.
    »Was soll
das, daß du an der Tür horchst?« fragte sie zurück, sprang behende auf den
Boden und raffte den einen schweren, staubigen Vorhang auf.
    »Das hat
gar nichts damit zu tun«, versetzte Mammy und rüstete sich zum Kampf. »Du hast
bei Miß Ellens Portieren gar nichts zu suchen. Was soll das, einfach die Stangen
herauszureißen und sie auf den Fußboden in den Staub zu schmeißen? Miß Ellen
hielt sehr viel auf ihre Portieren, und du sollst sie nicht ruinieren.«
    Scarlett
wandte Mammy ihre grünen Augen zu, fieberhaft lustige Augen wie die des
ungezogenen, kleinen Mädchens der guten alten Zeit.
    »Lauf
schnell auf den Boden und hol mir den Kasten mit meinen Schnittmustern, Mammy«,
rief sie ihr zu und gab ihr einen Schubs. »Ich bekomme ein neues Kleid.«
    Mammy
wurde hin und her gerissen zwischen ihrer Empörung über den bloßen Gedanken,
daß sie mit ihren zwei Zentnern irgendwohin und gar auf den Boden schnell
laufen sollte, und einem schrecklichen Verdacht, der ihr

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