Margaret Mitchell
mit willst und mir helfen, aber wie in
aller Welt sollen sie hier ohne dich fertig werden. Du hältst doch den ganzen
Betrieb hier auf Tara in Gang!«
»Das nützt
dir gar nichts«, entgegnete Mammy unbeirrbar, »daß du süß mit mir bist, Miß
Scarlett. Ich kenne dich, seitdem du in den Windeln warst, und ich habe gesagt,
ich gehe mit dir nach Atlanta, und da gehe ich nun auch. Miß Ellen dreht sich
im Grabe um, wenn du allein hingehst. Die Stadt ist voll Yankees und freien
Niggern und dergleichen Pack.«
»Aber ich
wohne doch bei Tante Pittypat«, wandte Scarlett ein.
»Miß
Pittypat ist eine feine Dame, und sie meint, sie sieht alles, aber das tut sie
nicht.« Mit der Miene einer Majestät, die eine Audienz beendigt, drehte sich
Mammy um und ging in die Halle hinaus.
Die Balken
bebten, als sie rief: »Prissy, lauf hinauf und hol Miß Scarletts
Schnittmusterkasten vom Boden und such die Schere, flink!«
»Das ist
eine schöne Bescherung«, dachte Scarlett verzagt. »Ebensogut könnte ich einen
Bluthund auf den Fersen haben.«
Als das
Abendessen abgeräumt war, breiteten Scarlett und Mammy die Schnittmuster auf
dem Eßtisch aus, während Suellen und Carreen emsig das Seidenfutter von den
Vorhängen abtrennten und Melanie den Samt mit einer sauberen Haarbürste
bearbeitete, um den Staub zu entfernen. Gerald, Will und Ashley saßen rauchend
im Zimmer und betrachteten den weiblichen Aufruhr, und eine freudige Erregung,
die anscheinend von Scarlett ausging, hatte sie alle ergriffen, und niemand
wußte, was eigentlich geschah. Scarletts Augen hatten einen hellen Glanz und
ihre Wangen Farbe bekommen. Das gefiel allen, denn seit Monaten hatten sie sie
nicht mehr richtig lachen sehen. Besonders gefiel es Gerald. Seine Augen hatten
einen weniger verschwommenen Blick als sonst, wenn sie Scarletts raschelnder
Gestalt durchs Zimmer folgten, und sobald sie in Reichweite kam, streichelte er
sie zufrieden. Die Mädchen waren so aufgeregt, als ob sie sich zu einem Ball
rüsteten, und trennten und schnitten und hefteten, als machte jede ihr eigenes
Ballkleid.
Scarlett
wollte nach Atlanta, um Geld zu borgen oder notfalls eine Hypothek aufzunehmen.
Was hatte schließlich eine Hypothek zu bedeuten? Scarlett sagte, sie könnten
sie leicht mit der Baumwolle des nächsten Jahres abtragen und noch Geld
übrigbehalten, und es klang so überzeugt, daß niemand daran zweifelte. Und als
sie gefragt wurde, wer ihr denn das Geld leihen sollte, erwiderte sie
geheimnisvoll: »Wer viel fragt, geht viel irre«, bis die anderen sie mit ihren
befreundeten Millionären zu necken anfingen.
»Es muß
schon Kapitän Rhett Butler sein«, sagte Melanie schlau, und alle platzten vor
Lachen über solch einen Einfall. Sie wußten ja, wie Scarlett ihn haßte. Nie
sprach sie anders von ihm als »Rhett Butler, der Lump«.
Aber
Scarlett lachte nicht, und Ashley, der mitgelacht hatte, hörte plötzlich auf,
als er Mammy Scarlett einen raschen, verstohlenen Blick zuwerfen sah.
Suellen
wurde von der Gemeinschaftsstimmung dieses Abends bis zur Großmut gerührt, sie
holte ihren Kragen aus irischer Spitze, der zwar ein wenig abgetragen, aber
doch noch sehr hübsch war, und Carreen bestand darauf, Scarlett müsse ihre Schuhe
tragen, die noch besser instand waren als alle anderen auf Tara. Melanie bat
Mammy, einen Samtflicken übrigzulassen, damit sie die Form ihres verregneten
Hutes neu überziehen und garnieren könnte, und erregte stürmische Heiterkeit
mit dem Vorschlag, den alten Hahn einer prachtvollen, schillernden
grünschwarzen Schwanzfeder zu dem gleichen Zweck zu berauben.
Scarlett
sah die Finger fliegen, hörte das Gelächter schallen und betrachtete sie alle
mit heimlicher Bitterkeit und Verachtung.
»Sie alle
haben keine Ahnung, was in Wirklichkeit mit mir, mit ihnen und dem ganzen Süden
vorgeht. Trotz allem meinen sie immer noch, daß ihnen nichts wirklich
Schreckliches zustoßen kann, weil sie O'Haras, Wilkes, Hamiltons sind. Sogar
die Schwarzen haben das Gefühl. Narren sind sie alle! Sie begreifen es nie! Sie
denken und leben einfach weiter wie bisher, und nichts kann sie ändern. Melly
kann in Lumpen gehen und Baumwolle pflücken - ja, sie kann mir helfen, einen
Menschen zu ermorden, das alles ändert sie nicht. Sie ist immer noch die
schüchterne, wohlerzogene Mrs. Wilkes, die vollkommene Dame! Und Ashley mag den
Tod und den Krieg sehen, verwundet und gefangen werden und heimkehren und
weniger als nichts vorfinden, er bleibt doch der
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