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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Gentleman, der er war, als er
noch ganz Twelve Oaks hinter sich hatte. Will ist anders. Er weiß, wie es
wirklich steht, aber er hatte auch nie viel zu verlieren. Und Suellen und
Carreen meinen, dies alles geht vorüber. Sie wollen den veränderten Umständen
nicht ins Gesicht sehen, weil sie meinen, das alles dauert nicht lange. Sie
meinen, Gott wird ihnen zuliebe ein Wunder tun. Aber das einzige Wunder, das
hier geschehen wird, ist das, was ich an Rhett Butler tun will ... Sie alle
ändern sich nicht. Vielleicht können sie es nicht. Ich bin die einzige, die
sich geändert hat ... und hätte mich auch nicht geändert, wenn es nach mir
gegangen wäre.«
    Endlich
schickte Mammy die Männer aus dem Eßzimmer, und die Anprobe konnte beginnen.
Pork brachte Gerald ins Bett, und Ashley und Will blieben allein bei der Lampe
in der vorderen Halle sitzen. Sie schwiegen eine Weile, und Will kaute seinen
Tabak wie ein friedlich wiederkäuendes Tier. Aber sein mildes Gesicht sah
keineswegs friedlich aus.
    »Diese
Fahrt nach Atlanta«, sagte er schließlich bedächtig, »will mir gar nicht
gefallen.«
    Rasch sah
Ashley ihn an und blickte dann wieder weg. Er erwiderte nichts und dachte
daran, ob Will wohl den gleichen schrecklichen Verdacht hegte, der ihn
verfolgte. Das war doch unmöglich. Will wußte nicht, was nachmittags im
Obstgarten vorgegangen war und was Scarlett zur Verzweiflung getrieben hatte.
Will konnte Mammys mißtrauisches Gesicht nicht bemerkt haben, und er wußte nichts
von Rhetts Geld und seinem schlechten Ruf. Wenigstens glaubte Ashley es nicht,
wenn er auch die Erfahrung gemacht hatte, daß Will, ähnlich wie Mammy, alles,
was auf Tara geschah, wußte, ohne daß es ihm gesagt wurde. Es kg etwas wie
Unheil in der Luft, und Ashley fühlte sich machtlos, Scarlett davor zu
bewahren. Den ganzen Abend war sie seinem Blick nicht ein einziges Mal
begegnet, und die heftige Lustigkeit, mit der sie ihn behandelte, war
beängstigend. Der Argwohn, der ihn zerriß, war zu schrecklich für Worte. Er
hatte nicht das Recht, sie mit der Frage zu beleidigen, ob das, was er
mutmaßte, wahr sei. Er ballte die Fäuste. Er hatte überhaupt kein Recht auf
sie; heute hatte er es für immer verwirkt. Niemand konnte ihr helfen. Nur als
er an Mammy dachte und an die grimmige Entschlossenheit, mit der sie in die
Samtvorhänge hineinschnitt, faßte er ein wenig Mut. Mammy würde auf Scarlett
aufpassen, ob Scarlett wollte oder nicht.
    »Ich bin
schuld an allem«, dachte er verzweifelt, »ich habe sie dazu getrieben.«
    Er besann
sich darauf, wie sich ihre Schultern gestrafft hatten, als sie sich am
Nachmittag von ihm abwandte, wie trotzig sie da den Kopf trug. Sein Herz suchte
nach ihr, zerrissen von seiner eigenen Hilflosigkeit, von Bewunderung gequält.
In ihrem Wortschatz gab es ja das Wort Tapferkeit nicht. Sie würde ihn leer und
ohne Verständnis anstarren, wenn er ihr sagte, sie sei die tapferste Seele, der
er je begegnet sei. Sie verstand ja nicht, wieviel wahrhaft Hohes er damit
ausdrücken wollte, wenn er sie tapfer nannte. Sie nahm das Leben, wie es kam,
und setzte jedem Hindernis ihre Zähigkeit und Entschlossenheit entgegen, die
sich nicht geschlagen gab und weiterkämpfte, auch wenn sie die Niederlage
unausweichlich kommen sah.
    Aber in
den letzten vier Jahren hatte er viele gesehen, die sich nicht geschlagen geben
wollten, Männer, die fröhlich ins sichere Verderben ritten, weil sie tapfer
waren - sie waren trotzdem geschlagen worden.
    Als er
dort in der dämmerigen Halle mit Will zusammen saß und vor sich hin starrte, meinte
er, nie habe er solche Tapferkeit gesehen wie bei Scarlett O'Hara, die, in
einem Kleid aus ihrer Mutter Samtvorhängen und mit den Schwanzfedern ihres
Hahnes auf dem Hut, hinging, um die Welt zu erobern.
     
    33
     
    Scharf und
kalt blies der Wind, und schiefergraue Wolken jagten über den Himmel, als
Scarlett und Mammy am nächsten Nachmittag in Atlanta aus dem Zug stiegen. Seit
dem Brande der Stadt war der Bahnhof nicht wieder aufgebaut worden. Sie stiegen
zwischen Schmutz und Asche aus, ein paar Meter oberhalb der rauchgeschwärzten
Trümmer, die seine Stätte bezeichneten.
    Nach alter
Gewohnheit hielt Scarlett Ausschau nach Pittys Wagen und Onkel Peter. In den
Kriegsjahren war sie jedesmal im Wagen abgeholt worden, wenn sie aus Tara nach
Atlanta zurückkam. Sie erschrak über ihre eigene Geistesabwesenheit.
Selbstverständlich war Onkel Peter nicht da, denn sie hatte an Pitty nicht
geschrieben, und

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