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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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aufgebautem zweitem Stock. Bonnells Haus sah leidlich
bewohnbar aus, obwohl es ungeschickt ausgebesssert und mit rohen Balken statt
der Schindern gedeckt war und einen etwas baufälligen Eindruck machte. Aber
nirgends zeigte sich ein Gesicht am Fenster, nirgends eine Gestalt an der
Haustür. Scarlett war froh darüber, denn sie hatte keine Lust, mit jemandem zu
sprechen.
    Dann kam
das neue Schieferdach auf Tante Pittys Haus mitsamt den roten Backsteinmauern
in Sicht, und Scarlett schlug das Herz. Wie gut hatte das Schicksal es gemeint,
daß dies Haus noch stand! Im Vordergarten erschien Onkel Peter mit einem
Marktkorb am Arm, und als er Scarlett und Mammy müde näher kommen sah, zog sich
sein schwarzes Gesicht zu einem breiten ungläubigen Lächeln auseinander.
Scarlett wäre dem alten Schwarzen am liebsten um den Hals gefallen, so sehr freute
sie sich, ihn zu sehen. Sie rief ihm zu: »Lauf und hol Tantchens
Ohnmachtsfläschchen, Peter, ich bin es wirklich.«
     
    Abends
stand der unvermeidliche Maisbrei mit getrockneten Erbsen auf Tante Pittys
Tisch, und Scarlett gelobte sich, während sie davon aß, daß diese beiden
Gerichte nie mehr auf ihren Tisch kommen sollten, sobald sie wieder Geld hatte.
Und Geld wollte sie wieder haben, einerlei um welchen Preis. Mehr Geld, als sie
für die Steuern auf Tara gebrauchte.
    Im hellen
Lampenlicht des Eßzimmers fragte sie Tante Pitty nach ihren Finanzverhältnissen
und hegte immer noch die leise ungläubige Hoffnung, Charles' Familie könne ihr
vielleicht das Geld leihen, das sie brauchte. Ihre Fragen waren nicht allzu
zartfühlend, aber Pitty freute sich so darüber, mit einem Familienmitglied
sprechen zu können, daß sie nicht einmal bemerkte, wie unverblümt Scarlett
damit herauskam, und tränenreich verbreitete sie sich über die Einzelheiten all
ihrer Mißgeschicke. Sie verstand nicht, wo ihr Gutshof, ihr städtischer Besitz
und das ganze Geld geblieben sein konnte. Alles war verschwunden - wenigstens
sagte das Onkel Henry. Er hatte die Steuern auf ihr Vermögen nicht bezahlen
können, und alles außer dem Hause war dahin. Und Pitty kam nicht einmal darauf,
daß dieses Haus niemals ihres, sondern das gemeinsame Eigentum von Melanie und
Scarlett gewesen war. Bruder Henry konnte mit knapper Not die Steuern auf das
Haus bezahlen. Er gab ihr monatlich etwas, wovon sie leben konnte, und obwohl
es sehr demütigend war, Geld von ihm anzunehmen, so blieb ihr doch nichts
anderes übrig.
    »Henry
sagte, er wisse nicht, wie er auskommen solle, bei allem, was auf ihm laste,
und bei den hohen Steuern, aber er wird wohl lügen und einen Haufen Geld haben,
und mir nur nichts geben wollen.« Scarlett wußte, daß Onkel Henry nicht log.
Die paar Briefe, die sie wegen Charles' Vermögen von ihm bekommen hatte,
bewiesen es ihr. Der alte Anwalt kämpfte tapfer, um das Haus und das städtische
Grundstück, auf dem der Speicher gestanden hatte, zu retten, damit Scarlett und
Wade aus dem Ruin noch etwas übrigbehielten. Scarlett wußte, daß er mit großen
Opfern die Steuern einstweilen für sie auslegte.
    »Natürlich
hat er kein Geld«, dachte Scarlett, »also muß ich ihn und Tante Pitty auf
meiner Liste streichen. Es bleibt mir niemand anders als Rhett. Ich muß es tun.
Ich habe gar keine Wahl. Aber ich darf jetzt nicht weiter darüber nachdenken
... Ich muß Pitty dazu bringen, daß sie über Rhett spricht. Dann kann ich
unauffällig vorschlagen, daß sie ihn zu morgen einlädt.«
    Sie
lächelte und drückte Tante Pittys rundliche Hände in den ihren. »Liebstes
Tantchen«, sagte sie, »wir wollen nicht mehr über die peinlichen
Geldgeschichten reden. Sprechen wir lieber von angenehmeren Dingen. Du mußt mir
erzählen, was aus all unseren Freunden geworden ist. Wie geht es Mrs.
Merriwether und Maybelle? Ich hörte, Maybelles kleiner Kreole sei heil nach
Hause gekommen. Wie geht es Elsings und Meades?«
    Pittypat
strahlte über die neue Wendung des Gesprächs, und auf ihrem Kindergesicht
versiegten die Tränen. Sie berichtete ausführlich über ihre alten Nachbarn, was
sie taten, was sie anzogen, was sie aßen und dachten. Schaudernd erzählte sie,
vor Rene Picards Heimkehr hätten Mrs. Merriwether und Maybelle sich
durchzuhelfen gesucht, indem sie Pasteten backten und den Yankees verkauften.
Man stelle sich das vor! Manchmal hatten zwei Dutzend Yankeesoldaten in dem
Merriwetherschen Hintergarten gestanden und auf die Pasteten gewartet. Seitdem
Rene wieder daheim war, fuhr er täglich mit

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