Margaret Mitchell
einem alten Wagen in das
Yankeelager und verkaufte dort Kuchen und Pasteten an die Soldaten. Mrs.
Merriwether sagte, wenn sie erst etwas mehr Geld habe, wolle sie in der Stadt
einen Bäckerladen eröffnen. Pitty hatte nicht gern an ihren Freunden etwas
auszusetzen, aber was sie beträfe, so wolle sie lieber verhungern als solche
Beziehungen mit den Yankees unterhalten. Sie machte es sich zur Pflicht, jeden
Soldaten, dem sie begegnete, verächtlich zu mustern und ostentativ auf die
andere Seite der Straße hinüberzugehen, obgleich das bei nassem Wetter sehr
unbequem war.
Mrs. Meade
und der Doktor hatten ihr Heim verloren, als die Stadt beschossen wurde, und
besaßen weder das Geld noch den Mut, neu zu bauen, denn Phil und Darcy waren
tot. Mrs. Meade sagte, sie wolle nie wieder ein Haus haben, denn was sei ein
Haus ohne Kinder und Enkel. Sie waren sehr einsam und wohnten jetzt bei
Elsings, die den beschädigten Teil ihres Hauses wieder aufgebaut hatten. Auch
Mr. und Mrs. Whiting hatten dort ein Zimmer, und Mrs. Bonnell sprach davon, gleichfalls
dorthin zu ziehen, sobald sie das Glück hatte, ihr eigenes Haus an einen
Yankeeoffizier und seine Familie zu vermieten.
»Aber ist
denn dort Platz für so viele?« wunderte sich Scarlett.
»Mrs.
Elsing und Fanny schlafen im Wohnzimmer und Hugh in der Dachkammer«, erklärte
Pitty, die alle Einzelheiten wußte. »Kind, ich mag es gar nicht sagen. Mrs.
Elsing nennt das >zahlende Gäste<, aber«, Pittys Stimme dämpfte sich zum
Flüstern, »im Grunde sind es doch Pensionäre. Mrs. Elsing hat eine Pension. Ist
das nicht fürchterlich?«
»Ich finde
es großartig«, sagte Scarlett kurz. »Ich wollte, wir hätten das letzte Jahr
auch >zahlende Gäste< anstatt all der Freitischesser gehabt. Vielleicht
wären wir dann nicht so arm.«
»Scarlett,
wie kannst du nur so etwas sagen! Für die Gastfreiheit auf Tara Geld zu nehmen!
Allerdings war Mrs. Elsing einfach dazu gezwungen, weil sie mit ihrer Näherei
und Fanny mit ihrer Porzellanmalerei und Hugh mit seinem Feuerholzhandel nicht
genug Geld verdienten. Stelle dir vor, daß der liebe Hugh an den Türen mit
Feuerholz handelt, und er sollte doch ein großer Rechtsanwalt werden. Ich
könnte darüber weinen, was unsere Jungen jetzt alles tun müssen!«
Scarlett
dachte an die Baumwollreihen unter dem sengenden Himmel, an ihren schmerzenden
Rücken und ihre blasenbedeckten Hände. Was für eine unschuldige Närrin Pitty
doch war! Nein, sie fand nicht, daß Hugh Elsing besonderes Mitgefühl verdiente.
»Wenn ihm
das Hausieren nicht gefällt, warum arbeitet er denn nicht als Rechtsanwalt?
Gibt es in Atlanta keine Prozesse mehr?«
»Ach, und
ob! Prozesse gibt es genug. Eigentlich klagt jeder gegen jeden. Wo alles
verbrannt und keine Grenzlinien mehr da sind, weiß niemand mehr genau, wo sein
Land anfängt und aufhört. Aber die Anwälte bekommen keine Bezahlung, weil
niemand Geld hat. Daher hält Hugh sich an seinen Handel. Ach, und habe ich dir
eigentlich geschrieben, daß Fanny Elsing morgen abend heiratet? Natürlich mußt
du hin. Mrs. Elsing wird sich schrecklich freuen. Hoffentlich hast du noch ein
Kleid mit außer diesem. Es ist ja ein ganz süßes Kleid, Liebling, aber ein
bißchen abgetragen sieht es doch aus. So, du hast noch eins, das freut mich,
denn es ist die erste wirkliche Hochzeit hier seit der Kapitulation, mit Kuchen
und Wein und Tanz, obgleich ich nicht weiß, wie Elsings das auftreiben,
wollen.«
»Wen
heiratet Fanny? Nachdem Dallas MacLure bei Gettysburg gefallen ist, dachte ich
...«
»Ach, denk
nicht schlecht von ihr! So treu wie du deinem Charlie können die wenigsten
Mädchen sein. Wie hieß er doch? Ich kann mich nie auf Namen besinnen. Tom
Soundso. Seine Mutter habe ich gut gekannt, sie war eine Tomlinson, und ihre
Mutter, warte mal ... nun, eine sehr gute Familie, aber trotzdem! Ich weiß, ich
sollte so etwas nicht sagen, aber ich verstehe nicht, wie Fanny es über sich
gewinnt ... «
»Trinkt
er?«
»O Gott,
nein! Er ist ein vortrefflicher Mensch, aber siehst du, er ist durch einen
Granatsplitter im Unterleib verwundet worden, und das hat seinen Beinen geschadet,
und nun muß er ... er muß ... es ist mir schrecklich, zu sagen - es sieht sehr
unfein aus, wenn er ... wenn er geht, es macht sich nicht gerade sehr hübsch.
Ich begreife nicht, warum sie ihn heiratet.«
»Irgendwer!
muß ein Mädchen doch heiraten.«
»Ganz und
gar nicht!« Tante Pitty kam in Harnisch. »Ich habe das nie
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