Margaret Mitchell
Gold?«
»Ja,
Herzchen, wo ist denn sonst all unser Konföderiertes Geld hingekommen! Irgend
jemand muß es doch haben, und so wird Kapitän Butler es sein. Die Yankees
meinten, Präsident Davis habe es, als er aus Richmond floh, aber als sie ihn
fingen, hatte er kaum einen Cent. Im Staatsschatz war überhaupt kein Geld, als
der Krieg zu Ende war, und alle meinten, einige von den Blockadebrechern hätten
es, und schwiegen darüber still.«
»Millionen
... in Gold!«
»Hat
Kapitän Butler nicht Tausende von Ballen Baumwolle nach England und Nassau
gebracht, um sie für die konföderierte Regierung zu verkaufen?« fragte Fitly
triumphierend. »Nicht nur seine eigene, sondern auch Regierungsware, und du
weißt doch, was die Baumwolle während des Krieges in England gebracht hat!
Jeden Preis, der gefordert wurde. Er reiste als freier Agent im Auftrage der
Regierung und sollte die Baumwolle verkaufen und dagegen Kanonen hereinbringen.
Nun, die Blockade wurde zu dicht, er konnte die Kanonen nicht mehr
hereinbekommen, und deshalb hat er viele Millionen Dollar auf den englischen
Banken liegen. Denn daß er das Geld dort auf den Namen der Regierung hinterlegt
hat, machst du mir nicht weis. Seit der Übergabe spricht alle Welt davon, und
als die Jankees ihn wegen des Niggers verhafteten, müssen sie davon Wind
bekommen haben, denn sie setzten ihm hart zu, er solle bekennen, wo das Geld steckt.
Die ganzen Gelder der konföderierten Regierung gehören doch jetzt den Yankees,
nach ihrer Meinung wenigstens. Aber Kapitän Butler sagt, er wisse nichts. Dr.
Meade meint, sie sollten ihn auf alle Fälle hängen, nur sei der Galgen für
einen Dieb und Schieber noch viel zu gut ... Aber Kindchen, wie siehst du aus?
Wird dir schwach? Habe ich dich aufgeregt? Ach, ich weiß, er war ja einmal ein
Verehrer von dir, aber ich dachte, ihr hättet euch längst überworfen.«
»Wir sind
nicht mehr befreundet«, erwiderte Scarlett mit einiger Anstrengung. »Während
der Belagerung habe ich mich mit ihm entzweit. Wo ist er?«
»Im
Spritzenhaus drüben beim Marktplatz. Ja, die Yankees benutzen es jetzt als
Militärgefängnis. Sie kampieren in Baracken rings um das Rathaus am Marktplatz,
und das Spritzenhaus liegt dicht dabei. Da sitzt also Kapitän Butler. Und denke
dir, was für eine drollige Geschichte ich gerade gestern über Kapitän Butler
gehört habe. Du weißt, wie gepflegt er immer aussah, richtig wie ein Dandy.
Aber im Spritzenhaus wollen sie ihn nicht baden lassen, und jeden Tag fängt er
wieder davon an, daß er baden will, und schließlich haben sie ihn auf den Platz
geführt vor einen langen Pferdetrog, worin das ganze Regiment gebadet hatte.
Dort könne er baden. Aber er sagte, sein edler Südstaatendreck sei ihm lieber
als Yankeedreck und ...«
Scarlett
hörte die vergnügte Stimme munter weiterplätschern. Aber die Worte verstand sie
nicht mehr. Sie hatte nur zwei Gedanken im Kopf. Rhett hatte mehr Geld, als sie
sich träumen ließ, und er saß im Gefängnis. Die Tatsache, daß er vielleicht
gehenkt werden sollte, veränderte die Sachlage ein wenig, ging ihr aber nicht
weiter nahe. Ihr Geldbedürfnis war so verzweifelt, daß sie sich über Rhetts
weiteres Schicksal keine Gedanken machte. Außerdem war sie beinahe Dr. Meades
Meinung und fand den Galgen noch zu gut für ihn. Jemand, der eine Frau mitten
in der Nacht zwischen zwei Armeen sitzenließ und einfach fortging, um für eine
schon verlorene Sache zu kämpfen, verdiente den Galgen. Wenn sie es fertigbrachte,
ihn zu heiraten, während er im Gefängnis saß, fielen ihr all die Millionen zu
und gehörten ihr, falls er hingerichtet wurde. Und wenn eine Heirat unmöglich
war, konnte sie vielleicht ein Darlehen von ihm haben, wenn sie versprach, ihn
nach seiner Freilassung zu heiraten, oder ihm verspräche ... oh, alles
verspräche! Und wenn sie ihn dann henkten, kam der Tag der Abrechnung nicht
mehr. Einen Augenblick flammte ihre Phantasie hell auf bei dem Gedanken, durch
das gütige Dazwischentreten der Yankees reiche Witwe zu werden. Millionen in
Gold. Dann konnte sie Tara instand setzen lassen und meilenweit Baumwolle
pflanzen. Konnte hübsche Kleider tragen, und Suellen und Carreen auch, dann
konnten sie alles essen, was sie wollten. Und Wade konnte dicker werden und
bekam warmes Zeug und eine Erzieherin und ging später auf die Universität. Ein
Arzt konnte nach Pa sehen. Und Ashley, was konnte sie nicht alles für Ashley
tun!
Plötzlich
erwachte sie aus ihrem Traum und
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