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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sah Mammy in der Tür stehen, die Hände unter der
Schürze, in den Augen ihren durchdringenden, wachsamen Blick. Wie lange mochte
Mammy dagestanden und alles gehört und beobachtet haben?
    »Miß
Scarlett sieht müde aus, sie geht wohl besser ins Bett.«
    »Ja, ich
bin müde.« Scarlett stand auf. »Ich fürchte, ich habe mich erkältet. Tante
Pitty, wäre es dir unangenehm, wenn ich morgen im Bett bliebe und keine Besuche
machte? Ich möchte doch so gern auf Fannys Hochzeit. Und wenn meine Erkältung
schlimmer wird, kann ich nicht hingehen. Ein Tag im Bett wäre solch ein Genuß
für mich.«
    Mammys
Blick wurde besorgt, als sie Scarletts Hände fühlte und ihr ins Gesicht sah.
Sie sah ganz gewiß nicht wohl aus. Ihre Aufregung war plötzlich abgeflaut. Sie
war blaß und zitterte.
    »Deine
Hand ist wie Eis, Püppchen. Du kommst jetzt ins Bett, und ich mache dir Tee und
lege dir einen heißen Ziegelstein ins Bett, damit du schwitzt.«
    »Wie
unbedacht von mir«, klagte die alte Dame, »da schwatze ich nun immer und denke
nicht an dich. Ja, Herzchen, du sollst den ganzen Tag im Bett bleiben und dich
ausruhen, und wir können zusammen plaudern. O je, aber nein! Ich habe Mrs.
Bonnell versprochen, sie zu besuchen. Sie liegt mit Grippe im Bett. Ihre Köchin
auch. Mammy, wie gut, daß du da bist, du mußt morgen mit mir hingehen und mir
helfen.«
    Mammy
führte Scarlett die dunkle Treppe hinauf und redete allerlei sorgenvolles Zeug
über kalte Hände und zu dünne Schuhe in sich hinein, und Scarlett war es ganz
zufrieden. Wenn sie Mammys Argwohn auch ferner beschwichtigen und sie morgen
aus dem Hause entfernen konnte, dann ging alles gut. Dann konnte sie zum
Gefängnis und Rhett besuchen.
    Als sie
die Treppe hinaufging, begann es leise zu donnern. Und sie dachte, wie sehr das
doch dem Kanonendonner gliche. Ihr schauderte. Der Donner würde in alle
Ewigkeit für sie immer nur Geschützfeuer und Krieg bedeuten.
     
    34
     
    Am
nächsten Morgen schien nur hin und wieder die Sonne, und der scharfe Wind
rüttelte an den Fensterscheiben. Scarlett war froh, daß der Regen vom vorigen
Abend aufgehört hatte. Sie hatte lange wach gelegen und auf ihn gelauscht. Er
hätte ihr das Samtkleid und den Hut gänzlich verdorben. Ihre Stimmung hob sich.
Sie gab sich Mühe, matt auszusehen und allerlei krächzende Geräusche von sich
zu geben, bis Tante Pitty, Mammy und Onkel Peter sich zu Mrs. Bonnell auf den
Weg machten. Als endlich die Gartenpforte zuschlug, sprang sie aus dem Bett und
holte ihr neues Kleid aus dem Schrank. Der Schlaf hatte sie erquickt und
gekräftigt, und aus dem harten, kalten Inneren ihres Herzens schöpfte sie Mut.
Die Aussicht, sich an Verstand und Schlagfertigkeit mit einem Mann - wer es
auch sein möge - zu messen, hatte etwas Anfeuerndes, und nach monatelangem
Ringen mit immer neuen, unfaßlichen Enttäuschungen erschien es ihr wie ein
Genuß, endlich einem bestimmten Gegner gegenüberzustehen, den sie aus eigener
Kraft aus dem Sattel heben konnte.
    Es war
nicht leicht, sich ohne Hilfe anzuziehen, aber schließlich wurde sie damit
fertig, setzte den Hut mit seiner kecken Feder auf und lief in Tante Pittys
Zimmer, um sich vor dem langen Spiegel zu putzen. Wie hübsch sah sie aus! Unter
dem mattgrünen Samt des Hutes glänzten ihre Augen wie Smaragde. Das Kleid stand
ihr unvergleichlich schön. Wie gut tat es, wieder zu wissen, daß man hübsch und
anziehend war. Sie beugte sich vor, küßte ihr Spiegelbild und lachte über ihre
eigene Albernheit. Sie öffnete Tante Pittys Schrank, nahm einen schwarzen
Tuchmantel heraus, den Pitty nur sonntags trug, und zog ihn an.
    Dann
steckte sie die Diamantohrringe an, die sie aus Tara mitgebracht hatte, und
warf den Kopf zurück, um zu prüfen, wie es wirkte. Sie durfte nicht vergessen,
ihren Kopf manchmal zurückzuwerfen, wenn sie bei Rhett war. Tanzende, klirrende
Ohrringe gaben einem Mädchen etwas Mutwilliges, und das gefiel den Männern.
    Zu schade,
daß keine Handschuhe da waren - nie konnte eine Frau sich ohne sie als echte
Dame fühlen. Scarlett hatte keine mehr gehabt, seitdem sie aus Atlanta geflohen
war. Während der Gartenarbeit auf Tara waren ihre Hände rauh geworden und sahen
nicht mehr hübsch aus. Aber sie konnte Tante Pittys kleinen Sealmuff mitnehmen
und die Hände darin verbergen. Es vollendete ihre elegante Erscheinung. Wer sie
jetzt sah, kam nicht auf den Gedanken, daß Armut und Mangel ihr über die
Schultern blickten. Rhett durfte nicht denken, daß

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