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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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etwas anderes als zärtliche
Gefühle sie zu ihm trieben.
    Während
Cookie unbekümmert in der Küche sang, schlich sie die Treppe hinunter und stahl
sich aus dem Hause. Rasch lief sie die Bäckerstraße entlang, um den neugierigen
Blicken der Nachbarn zu entgehen, und setzte sich in der Efeustraße vor einem
abgebrannten Haus auf den Prellstein, um zu warten, ob nicht ein
vorüberkommender Wagen sie mitnähme. Ihre Hosenspitzen  flatterten im Wind. 
Die  Sonne tauchte zwischen den hastenden Wolken auf und unter und erhellte die
Straße mit einem wechselnden Licht, das keine Wärme brachte. Sie wickelte sich
fest in Tante Pittys leichten Mantel und schauderte. Als sie sich endlich
erhob, um den langen Weg durch die Stadt zu Fuß anzutreten, erschien ein
Lastwagen. Darin saß eine alte Frau und trieb ein störrisches Maultier an. Sie
fuhr in der Richtung nach dem Rathaus und nahm Scarlett widerwillig mit, ließ
aber durchblicken, daß ihr Kleid, ihr Hut und ihr Muff keine Gnade vor ihren
Augen fänden.
    »Sie hält
mich für ein Frauenzimmer«, dachte Scarlett, »und vielleicht mit Recht.«
    Als sie
endlich den Marktplatz erreichten und die hohe weiße Kuppel des Rathauses vor
ihnen emporragte, bedankte sie sich und stieg aus. Sie blickte sich vorsichtig
um, ob sie auch nicht beobachtet werde, kniff sich in die Wangen, um ihnen
Farbe zu geben, und biß sich auf die Lippen, damit sie rot würden. Sie rückte
den Hut zurecht, strich sich das Haar glatt und musterte den Platz.
    Das
zweistöckige Rathaus aus roten Backsteinen hatte dem Brand standgehalten, aber
es wirkte verlassen und verwahrlost unter dem grauen Himmel. Rings um das
Gebäude und auf dem ganzen viereckigen Platz, in dessen Mittelpunkt es stand,
lagen Reihe an Reihe die schmutzigen hölzernen Baracken. Überall lungerten
Soldaten herum, und sinkenden Mutes betrachtete Scarlett sie. Wie sollte sie in
diesem feindlichen Lager nach Rhett suchen? Sie spähte nach dem Spritzenhaus
und sah, daß die breiten Bogentüren mit schweren Stangen verschlossen waren und
zwei Schildwachen zu beiden Seiten des Gebäudes auf und ab gingen. Darin saß
Rhett. Aber was sollte sie den Wachtsoldaten sagen, und was würden sie ihr
erwidern? - Sie straffte die Schultern. Wenn sie keine Angst gehabt hatte,
einen Yankee niederzuschießen, so wollte sie sich auch nicht davor furchten,
einen anderen anzureden.
    Behutsam
machte sie sich über die schmutzige Straße auf den Weg, bis sie vor der
Schildwache stand, die sie anhielt.
    »Was
wünschen Sie, Miß?« Der Mann sprach mit dem fremdartigen Nasallaut des
mittleren Westens, aber es klang höflich und ehrerbietig.
    »Ich
möchte jemanden dort drinnen besuchen. Einen Gefangenen.«
    »Ja, ich
weiß nicht!« Der Mann kratzte sich hinter dem Kopf. »Die nehmen es mit dem
Besuch mächtig genau.« Er hielt inne und sah sie scharf an. »Um Gottes willen,
Miß, weinen Sie nicht! Gehen Sie da hinüber zum Wachtkommando und fragen Sie
den Offizier, dann kriegen Sie sicher die Erlaubnis.«
    Er wandte
sich an einen anderen Posten, der langsam seine Runde abschritt: »Heda, Will,
komm mal her!«
    Der zweite
Wachtsoldat, ein großer Mann mit hochgeschlossenem blauen Überrock, aus dem ein
martialischer schwarzer Schnurrbart herausquoll, kam durch den Schlamm auf sie
zugestapft.
    »Du
bringst die Dame zum Wachtkommando!«
    Scarlett
bedankte sich und folgte dem Posten.
    »Nehmen
Sie sich in acht, daß Sie sich nicht den Fuß verstauchen«, sagte der Mann und
nahm ihren Arm. »Heben Sie lieber die Röcke auf, daß sie nicht im Dreck
schleifen.«
    Die
Stimme, die hinter dem Schnurrbart hervorkam, klang gleichfalls nasal, aber
freundlich und angenehm, und die Hand faßte sie ehrerbietig und fest. Die
Yankees waren vielleicht gar nicht so schlimm.
    »Ein
mächtig kalter Tag für eine Dame zum Ausgehen«, sagte ihr Begleiter. »Kommen
Sie von weit her?«
    »Allerdings,
vom anderen Ende der Stadt.« Ihr wurde ganz warm, so freundlich klang die
Stimme.
    »Bei
solchem Wetter sollte eine Dame nicht ausgehen«, tadelte der Mann. »Wo die
Grippe überall in der Luft liegt! Hier sind Sie beim Wachtkommando. «
    Scarlett
blickte zu dem freundlichen alten Haus auf, das vor ihr stand, und hätte weinen
mögen. Viele Gesellschaften hatte sie während des Krieges hier mitgemacht,
schön und lustig war es gewesen, und nun wehte eine große Unionsflagge darüber.
    »Gehen Sie
nur hinein, Miß, und fragen Sie nach dem Hauptmann.«
    Sie
schritt die Stufen hinauf und

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