Margaret Mitchell
so unausgesetzt an Sie denken muß, denn ich
habe viele Frauen gekannt, die hübscher, klüger, aufrichtiger und ich fürchte
auch gütiger waren als Sie. Und doch sind Sie mir seltsamerweise nie aus dem
Gedächtnis gekommen. Selbst während der Monate nach der Kapitulation, als ich
in Frankreich und England war und nichts von Ihnen sah und hörte, lagen Sie mir
immer im Sinn, und ich fragte mich, was Sie wohl trieben.«
Er hatte
sie also nicht vergessen! Er benahm sich fast wie ein Gentleman. Nun brauchte
sie nichts weiter zu tun, als die Rede auf ihn selbst zu bringen, dann konnte
sie ihm anvertrauen, daß auch sie ihn nicht vergessen habe, und dann ... Ganz
sanft drückte sie seinen Arm und ließ die Grübchen von neuem spielen.
»Aber
Rhett, was Sie nicht alles reden, um mich zum besten zu haben! Ich weiß nur zu
gut, daß Sie nie wieder einen Gedanken an mich verschwendet haben, nachdem Sie
mich damals in Nacht und Nebel sitzenließen. Machen Sie mir nicht weis, daß Sie
unter all der hübschen französischen und englischen Mädchen noch an mich
gedacht haben. Aber ich bin auch nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um von
Ihnen so dummes Zeug zu hören. Ich komme, weil ... «
»Weil?«
»O Rhett,
Sie tun mir ja so schrecklich leid! Ich habe solche Angst um Sie! Wann wird man
Sie denn aus diesem schrecklichen Gefängnis herauslassen?«
Sofort
hatte er ihre Hand in der seinen gefaßt und preßte sie gegen seinen Arm.
»Das macht
Ihnen alle Ehre. Wann ich herauskomme, weiß kein Mensch. Wahrscheinlich, wenn
sie den Strick ein bißchen länger gezogen haben.«
»Den
Strick?«
»Jawohl,
ich werde wohl mit dem Strick um den Hals von hier Abschied nehmen.«
»Man wird
Sie doch nicht im Ernst aufhängen wollen?«
»Wenn sie
ein paar Beweise mehr gegen mich finden, doch.«
»Ach Gott,
Rhett!« Sie griff sich nach dem Herzen.
»Täte
Ihnen das leid? Wenn es Ihnen leid genug tut, bedenke ich Sie in meinem
Testament.«
Unbekümmert
lachten seine schwarzen Augen sie an. Er preßte ihre Hand. Sein Testament!
Hastig schlug sie die Augen nieder, um sich nicht zu verraten. Aber doch wohl
nicht schnell genug, denn plötzlich blinkten seine Augen neugierig auf.
»Nach der
Meinung der Yankees muß mein Testament ungeheuerlich ausfallen. Man scheint
sich im Augenblick sehr für meine Geldverhältnisse zu interessieren. Täglich
werde ich vor eine andere Instanz zum Verhör geschleppt, und man stellt mir die
dümmsten Fragen. Anscheinend munkelt man, ich hätte mich mit dem mysteriösen
Goldschatz der Konföderierten Staaten davongemacht.«
»Und?
Haben Sie nicht ... «
»Scarlett,
Sie wissen so gut wie ich, daß die konföderierte Regierung keine Münze, sondern
eine Druckerpresse unterhalten hat.«
»Aber
woher haben Sie all Ihr Geld? Aus Spekulationen?«
»Was Sie
nicht für Gewissensfragen stellen!«
Zum Teufel
mit ihm! Natürlich hatte er das Geld! Sie regte sich so auf, daß es ihr schwer
wurde, eine sanfte Miene und einen zärtlichen Ton zu bewahren.
»Rhett,
ich bin ganz außer mir, daß Sie hier sitzen. Besteht denn gar keine Hoffnung,
daß Sie wieder herauskommen?«
»»Nihil
desperandum< ist mein Motto.«
»Was heißt
das?«
»Das heißt
>vielleicht<, meine reizende Ignorantin.«
Sie ließ
die langen Wimpern aufwärts beben, um ihn voll anzusehen. Dann schlug sie sie
wieder nieder.
»Ach, Sie
sind ja viel zu gewitzt, um sich aufhängen zu lassen. Sie denken sich etwas
Kluges aus, um die Yankees übers Ohr zu hauen, und entwischen! Und dann ... «
»Und
dann?« fragte er leise und lehnte sich dicht an sie.
»Nun, ich
...« Errötend brachte sie eine reizende Verwirrung zustande. Das Erröten fiel
ihr nicht schwer, den das Herz hämmerte ihr wie eine Trommel. »Rhett, es tut
mir so leid, was ich da ... an dem Abend, zu Ihnen gesagt habe, Sie wissen ja
... bei Rough and Ready. Ach, ich hatte ja solche Angst und war ganz außer mir,
und Sie waren so ...«
Sie senkte
den Blick noch tiefer und sah, wie seine braune Hand die ihre immer fester
faßte. »Und damals dachte ich, ich könnte ihnen nie und nimmer verzeihen! Aber
als Tante Pitty mir gestern sagte, daß ... daß sie Sie aufhängen wollten, kam
es auf einmal über mich und ich ... «
Mit einem
raschen, flehenden Blick voll unendlichen Herzwehs schaute sie ihm in die
Augen. »Ach, Rhett, ich sterbe, wenn sie dich aufhängen! Das ertrage ich nicht!
Siehst du, ich ...« und wieder ließ sie die Lider sinken, weil sie das heiße
Funkeln seiner
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