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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Augen nicht mehr aushielt. »Im nächsten Augenblick fange ich an
zu weinen«, dachte sie, ganz außer sich vor Verwunderung. »Soll ich es soweit
kommen lassen? Wird es wirken?«
    Er sagte
rasch: »Mein Gott, Scarlett, du kannst doch nicht meinen, daß du ... « Seine
Hände umschlossen die ihren so fest, daß es schmerzte.
    Sie
drückte die Augen sehr fest zu, damit die Tränen herauskämen, und vergaß auch
nicht, ihm ihr Gesicht ein klein wenig zuzuwenden, damit er sie küssen könnte.
Nun würde sie seine Lippen wieder auf den ihren fühlen, diese festen, fordernden
Lippen, deren sie sich plötzlich so lebhaft entsann, daß ihr ganz matt wurde.
Aber er küßte sie nicht. Eigentlich enttäuscht öffnete sie die Augen einen
schmalen Spalt weit und blickte ihn verstohlen an. Sein schwarzer Kopf war über
ihre Hände gebeugt, nun hob er die eine und küßte sie, und dann nahm er die
andere und legte sie sich an die Wange. Sie hatte etwas Gewaltsameres erwartet
und erschrak fast über eine so sanfte, liebevolle Zärtlichkeit. Was mochte
jetzt in seinem Gesicht geschrieben stehen? Sie wußte es nicht, sein Kopf war
geneigt. Rasch blickte sie wieder zu Boden, damit er nicht plötzlich aufschaute
und in ihrem Gesicht läse. Der Triumph in ihren Augen mußte ja deutlich
erkennbar sein. Nun drehte er ihre Hand um und wollte auch die Innenfläche
küssen, da zog er plötzlich hörbar den Atem ein. Sie blickte auf ihre eigenen
Handflächen, und es packte sie die kalte Angst. Das war ja die Handfläche einer
fremden Frau, nicht Scarlett O'Haras weiche weiße, gepflegte Hand. Es war eine
rauhe, sonnenverbrannte Arbeitsfaust voller Sommersprossen. Die Nägel waren
eingerissen und unregelmäßig. Derbe Schwielen bedeckten die Innenflächen. Eine
kaum vernarbte Blase saß am Daumen. Die rote Narbe an der Stelle, wo sie sich
vorigen Monat kochendes Fett über die Hand gegossen hatte, fiel grell ins Auge.
Entsetzt schaute sie das alles an, und ohne weiter nachzudenken, ballte sie die
Hand zur Faust.
    Noch immer
hob er nicht den Kopf, noch immer konnte sie sein Gesicht nicht sehen. Mit
unerbittlichen Fingern öffnete er die Faust und starrte sie an, ergriff ihre
andere Hand, hielt sie beide schweigend nebeneinander und betrachtete sie
lange.
    »Sieh mich
an«, sagte er endlich, hob den Kopf, und seine Stimme klang sehr ruhig. »Mach
nicht ein so sittsames Gesicht.«
    Ohne es zu
wollen, begegnete sie seinem Blick mit trotziger und banger Miene. Er hatte die
schwarzen Brauen in die Höhe gezogen, seine Augen drohten.
    »Es ist
dir also sehr gut gegangen auf Tara. Hast so viel Geld auf die Seite gebracht,
daß du auf Besuchsreisen gehen kannst. Und was hast du mit deinen Händen
gemacht? Gepflügt?«
    Sie
versuchte, sie ihm zu entreißen, aber er hielt sie ganz fest und glitt mit dem
Daumen über ihre Schwielen.
    »Das sind
nicht die Hände einer Dame«, sagte er und warf sie ihr in den Schoß.
    »Halten
Sie den Mund!« Einen Augenblick erleichterte es sie ungemein, aus ihrem Gefühl
kein Hehl mehr zu machen. »Geht es Sie etwas an, was ich mit meinen Händen
mache?«
    »Oh, ich
Schaf«, dachte sie leidenschaftlich, »warum habe ich nicht Tante Pittys Handschuhe
mitgenommen! Es war mir nicht klar, daß meine Hände so schlimm aussähen.
Natürlich mußte er das merken. Nun habe ich mir alles verdorben.«
    »Ihre
Hände gehen mich freilich gar nichts an«, sagte Rhett kühl und lehnte sich
gleichmütig, mit gänzlich ausdruckslosem Gesicht in seinen Stuhl zurück.
    Er wollte
Schwierigkeiten machen. Nun, das mußte sie sanftmütig hinnehmen, so unangenehm
es auch war, wenn sie noch retten wollte, was zu retten war.
    »Sie sind
aber schrecklich schlecht, sich über meine Hände aufzuhalten! Nur weil ich
vorige Woche ohne Handschuhe ausgeritten bin und sie mir verdorben habe.«
    »Ausgeritten?«
sagte er mit demselben ausdruckslosen Ton. »Gearbeitet haben Sie mit den Händen
da, gearbeitet wie ein Neger. Warum haben Sie mir vorgelogen, alles stehe zum
besten auf Tara?«
    »Hören
Sie, Rhett ... «
    »Wenn wir
nun die Wahrheit ergründeten? Was ist denn der wirkliche Zweck Ihres Besuches?
Fast hätte ich Ihnen geglaubt und gemeint, Sie kämen meinetwegen.«
    »Das tue
ich auch!«
    »Gottbewahre!
Ihnen macht es nichts aus, wenn sie mich an den höchsten Galgen hängen, den es
gibt. Das steht klar und deutlich auf Ihrem Gesicht geschrieben, so wie die
harte Arbeit in Ihren Händen. Sie wollen etwas von mir, und darum setzen Sie
sich vor mir

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