Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
und er hatte die
Dreistigkeit ... die ...« Tony schluckte verlegen, »zu sagen, die Nigger hätten
ein Recht auf ... auf ... weiße Frauen.«
    »Tony, nein!«
    »Bei Gott,
doch! Kein Wunder, daß dir schlecht wird aber zum Teufel, Scarlett, das kann
dir doch nicht neu sein. Hier in Atlanta haben sie es ihnen auch vorgeredet.«
    »Das ...
wußte ich nicht.«
    »Nun,
Frank hat es dir wohl verschwiegen. Jedenfalls meinten wir alle, es sei an der
Zeit, Mr. Wilkerson einmal vertraulich vorzunehmen. Weißt du noch den schwarzen
Kerl, den Eustis, der bei uns Vorarbeiter war? Der kam heute an die Küchentür,
als Sally Mittagessen kochte, und ... was er zu ihr sagte, weiß ich nicht. Ich
werde es wohl nie erfahren. Ich hörte sie aufschreien und stürzte in die Küche,
und da stand er, besoffen wie eine Spielmannshure. Verzeih, Scarlett, es fuhr
mir so heraus.«
    »Weiter!«
    »Ich schoß
ihn nieder, und als Mutter herbeigelaufen kam, um nach Sally zu sehen, stieg
ich aufs Pferd und ritt nach Jonesboro zu Wilkerson. Er war schuld. Ohne ihn
hätte der verdammte schwarze Esel nicht im Traum an so etwas gedacht. Als ich
bei Tara vorbeikam, traf ich Ashley, und natürlich kam er mit. Er sagte, ich solle
es ihm überlassen, weil Wilkerson sich so auf Tara benommen hätte, aber ich
sagte, das sei meine Sache, weil Sally die Frau meines toten Bruders ist, und
den ganzen Weg haben wir uns deswegen gezankt. Als wir in die Stadt kamen, was
meinst du wohl, Scarlett, ich hatte nicht einmal eine Pistole mitgenommen. Ich
war so wütend, daß ich sie im Stall vergessen hatte.«
    Er hielt
inne und knabberte an dem zähen Maisbrot. Scarlett schauderte. Die mörderischen
Wutanfälle der Fontaines hatten schon immer in der Provinz von sich reden
gemacht.
    »Deshalb
mußte ich mit dem Messer auf ihn los. Ich fand ihn in der Bar. Ashley hielt die
anderen zurück, ich bekam ihn in eine Ecke, und ehe ich mich an ihn machte,
habe ich ihm auch gesagt, weswegen. Es war vorüber, ehe ich mich recht versah«,
sagte Tony nachdenklich. »Ich kam erst wieder zu mir, als Ashley mich glücklich
im Sattel hatte und mich hierherschickte. Er ist zu gebrauchen, wenn es darauf
ankommt. Er verliert den Kopf nicht.«
    Frank kam
mit seinem Mantel über dem Arm herein und gab ihn Tony.
    Es war
sein einziger warmer Mantel, aber Scarlett ließ ihn gewähren. Sie stand in
dieser rein männlichen Angelegenheit ganz abseits.
    »Aber
Tony, du bist doch zu Hause unentbehrlich. Wenn du zurückgingst und alles
erklärtest ... «
    »Frank, du
hast eine dumme Frau«, grinste Tony und mühte sich in den Mantel hinein. »Sie
glaubt, die Yankees belohnen einen dafür, daß er die Nigger von seinen Frauen
fernhält. Jawohl, mit Standgericht und Strick. Gib mir einen Kuß, Scarlett,
Frank nimmt es nicht übel, ich sehe dich vielleicht nie wieder. Texas ist weit
weg. Zu schreiben werde ich wohl nicht wagen. Also, bestellt zu Hause, daß ich
heil bis hierher gekommen bin.«
    Sie ließ
sich von ihm küssen, und die beiden Männer gingen in den strömenden Regen
hinaus und standen noch einen Augenblick im Gespräch vor der Tür. Dann hörten
sie Hufe durchs Wasser patschen, und Tony war fort. Sie öffnete die Tür einen
Spalt und sah Frank, wie er ein keuchendes, stolperndes Pferd in den Stall
führte. Sie schloß die Tür wieder und setzte sich mit zitternden Knien.
    Jetzt
wußte sie, was Wiederaufbau hieß - so genau, als wäre ihr Haus von nackten
Wilden umringt, die drohend herankrochen. Jetzt fiel ihr manches wieder ein,
worauf sie in letzter Zeit wenig geachtet hatte. Gespräche, die sie aufgefangen
hatte, ohne zuzuhören. Unterhaltungen von Männern, die plötzlich stockten, wenn
sie ins Zimmer kam, Geringfügigkeiten, denen sie keine Bedeutung beigemessen
hatte, Franks fruchtlose Warnungen, sie solle nicht mit dem alten Onkel Peter
als einzigem Schutz zur Mühle hinausfahren. Nun fügte sich das alles zu einem
grauenhaften Bild zusammen.
    Die Neger
hatten die Oberhand, und hinter ihnen standen die Bajonette der Yankees. Man
konnte umgebracht und vergewaltigt werden, und nichts wurde dagegen getan. Wenn
jemand sich rächte, so wurde er von den Yankees aufgehängt, ohne von Richtern
und Geschworenen verhört zu werden. Die Yankeeoffiziere konnten, ohne sich im
geringsten um irgendwelche Gesetze zu kümmern, ein Standgericht inszenieren und
einem Südstaatler den Strick um den Hals legen.
    »Was
sollen wir tun?« dachte sie und rang in hilfloser Herzensangst die Hände.

Weitere Kostenlose Bücher