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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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brachte, hinunterstürzte. Scarlett dankte
Gott, daß Tante Pitty ungestört oben schnarchte. Sie wäre in Ohnmacht gefallen,
hätte sie diese geisterhafte Erscheinung gesehen.
    »Ein
verfluchter Lump weniger«, sagte Tony und ließ sich ein zweites Glas
einschenken. »Ich bin scharf geritten. Es kostet mich den Kopf, wenn ich nicht
rasch hier fortkomme. Aber es lohnt sich, bei Gott! Ich versuche, nach Texas
durchzukommen. Ashley war mit mir in Jonesboro und hat mir gesagt, ich sollte
zu euch gehen. Ich muß ein anderes Pferd haben, Frank, und Geld. Mein Pferd ist
am Verrecken. Den ganzen Weg hierher ging es auf Leben und Tod. Ich bin heute
vom Hause fortgeritten, als wäre der Satan hinter mir her, ohne Mantel, ohne
Hut und ohne einen einzigen Cent. Viel Geld gibt's ja zu Hause ohnehin nicht.«
    Er lachte
und fiel hungrig über das kalte Maisbrot und die Rüben her, auf denen dicke
weiße Flocken erstarrten Fettes lagen.
    »Du kannst
mein Pferd haben«, sagte Frank ruhig. »Ich habe nur zehn Dollar bei mir, aber
wenn du bis morgen früh warten kannst ... «
    »Zum
Teufel, ich kann nicht warten!« rief Tony erregt, aber vergnügt. »Sie sind mir
unmittelbar auf den Fersen. Viel Vorsprung hatte ich nicht. Hätte Ashley mich
nicht weggerissen und aufs Pferd gesetzt, so wäre ich Esel dageblieben, und sie
hätten mir den Hals langgezogen. Guter Junge, der Ashley.«
    Also hatte
Ashley etwas mit diesem rätselhaften Vorfall zu tun. Scarlett überlief es kalt.
Sie fuhr sich mit der Hand an den Hals. Hatten die Yankees Ashley jetzt zu
fassen? Warum fragte Frank ihn nicht, was das alles zu bedeuten hatte? Warum
nahm er das alles so kühl und selbstverständlich hin?
    »Was ...?«
fing sie mühsam an, »wer ...?«
    »Der alte
Aufseher deines Vaters, der verfluchte Jonas Wilkerson.«
    »Hast du
ihn ... ist er tot?«
    »Mein
Gott, Scarlett O'Hara?« sagte Tony ungeduldig. »Wenn ich jemand an die Kehle
gehe, meinst du, ich gäbe mich damit zufrieden ihn ein bißchen mit der stumpfen
Seite des Messers zu kratzen, was? Nein, bei Gott, ich habe ihn kaltgemacht.«
    »Gut«,
sagte Frank leichthin. »Ich habe den Kerl nie leiden können.«
    Scarlett
sah ihn an. Das war nicht der wehleidige Frank, den sie kannte, der nervöse
Bartkratzer, der sich so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Er hatte etwas
Straffes und Kaltblütiges und machte keine unnötigen Worte in der Not. Er war
ein Mann, und Tony war ein Mann, und alles dies war Männerangelegenheit, und
die Frau hatte keinen Teil daran.
    »Aber
Ashley ... hat er ...?«
    »Nein. Er
wollte ihn um die Ecke bringen, aber ich sagte, ich hätte ein Recht darauf,
weil Sally meine Schwägerin ist, und schließlich nahm er Vernunft an. Er ging
mit mir nach Jonesboro für den Fall, daß Wilkerson mir zuvorkäme. Aber ich
glaube nicht, daß der gute Ashley Scherereien davon hat. Ich hoffe nicht. Hast
du ein bißchen Marmelade für das Maisbrot? Kannst du mir etwas zum Mitnehmen
einpacken?«
    »Ich
schreie, wenn du mir nicht alles erzählst.«
    »Warte,
bis ich fort bin, und dann schreie, wenn du durchaus mußt. Ich erzähle es dir,
während Frank das Pferd sattelt. Der verdammte Wilkerson hatte uns schon
Unglück genug gebracht. Die Geschichte mit euern Steuern kennst du. Das war
eine von seinen Gemeinheiten. Aber das Schlimmste war, wie er die Schwarzen
aufwiegelte. Das hätte mir früher jemand sagen sollen, daß ich die Schwarzen
noch einmal hassen würde! Die armen Niggerseelen glauben Wort für Wort, was
diese Schufte ihnen einreden und vergessen, was wir alles für sie getan haben.
Nun reden die Yankees davon, die Schwarzen sollen das Stimmrecht bekommen und
wir nicht. Es gibt ja kaum eine Handvoll von Demokraten in der ganzen Provinz,
denen nicht das Stimmrecht entzogen ist, seitdem keiner mehr abstimmen darf,
der für die Konföderierten gekämpft hat. Wenn sie den Negern das Stimmrecht
geben, ist es mit uns aus. Verflucht noch mal, es ist doch unser Staat! Er
gehört doch nicht den Yankees! Bei Gott, Scarlett, es ist nicht zu ertragen,
und es wird auch nicht ertragen! Wir tun etwas dagegen, und wenn es wieder
Krieg gibt! Bald haben wir die Nigger als Richter und als Gesetzgeber, schwarze
Affen aus den Dschungeln ... «
    »Bitte,
erzähl rasch, was du getan hast.«
    »Gib mir
noch ein Stück von dem Brot, ehe du es einpackst. - Es wurde ruchbar, daß
Wilkerson mit seiner Niggergleichmacherei zu weit gegangen war. Er trichterte
es den schwarzen Eseln ein, als bekäme er dafür bezahlt,

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