Margaret Mitchell
Pflügen. Die Schwarzen im Zaum halten
und den Lumpen entgegentreten, das gehört auch dazu. Solange wir noch solche
Kerle wie Tony haben, brauchen wir uns im Süden nicht viel Sorge zu machen.
Komm ins Bett.«
»Aber
Frank ... «
»Wenn wir
nur zusammenstehen und den Yankees nicht nachgeben, sind wir eines Tages Sieger.
Zerbrich dir nicht das hübsche Köpfchen darüber, Liebling. Diese Sorge überlaß
nur den Männern. Vielleicht erleben wir es nie, aber vielleicht kommt es eines
Tages doch. Die Yankees werden es allmählich müde, uns zu quälen, wenn sie
sehen, daß sie uns nichts anhaben können. Und dann wird es wieder eine
anständige Welt geben, in der wir leben und unsere Kinder aufziehen können.«
Sie dachte
an Wade und an das Geheimnis, das sie seit ein paar Tagen schweigend mit sich
herumtrug. Nein, ihre Kinder sollten nicht in diesem Wirrwarr von Haß und Elend
aufwachsen, umgeben von Bitterkeit und Brutalität, von Mühsal und Ungewißheit.
Ihre Kinder sollten nicht erfahren, was das alles war. Sie sollten nichts als
Milde und Herzlichkeit, warme Kleider und gutes Essen kennenlernen.
Frank
meinte, das Stimmrecht könnte ihnen dazu verhelfen. Aber was machte ein
Stimmzettel aus! Die guten Familien im Süden bekamen ihn doch nicht wieder. Es
gab nur ein einziges sicheres Bollwerk gegen alles Ungemach, das das Schicksal
bringen konnte, und das war Geld. Fieberhaft verlangte sie nach viel Geld, das
sie vor dem Unglück beschützte.
Unvermittelt
erzählte sie ihm, daß sie ein Kind erwarte.
37
Nach Tonys
Flucht wurde Tante Pittys Haus noch wochenlang immer wieder von den Soldaten
der Yankees durchsucht. Zu jeder beliebigen Zeit drangen sie unangemeldet ein.
Sie schwärmten durch alle Zimmer, stellten Fragen, öffneten Schränke, stöberten
in Waschkörben herum und schauten unter die Betten. Die Militärbehörde hatte
erfahren, daß Tony den Rat bekommen hatte, zu Pitty zu gehen, und sie war
überzeugt, er halte sich dort oder irgendwo in der Nachbarschaft versteckt.
Infolgedessen
hatte Tante Pitty unaufhörlich ihre Zustände und war stündlich darauf gefaßt,
daß ein Offizier oder eine Abteilung Soldaten in ihr Schlafzimmer eindränge.
Weder Frank noch Scarlett hatten etwas von Tonys kurzem Besuch verlauten
lassen, deshalb hätte die alte Dame, auch wenn sie gewollt hätte, gar nichts
verraten können. Sie war vollkommen aufrichtig in ihren aufgeregten
Beteuerungen, sie habe Tony Fontaine nur einmal im Leben, und zwar Weihnachten
1862, gesehen.
»Und«,
fügte sie atemlos und dienstbeflissen hinzu, wenn die Yankees sie ausfragten,
»damals war er vollständig betrunken.«
Scarlett
hatte in den ersten Stadien ihrer Schwangerschaft allerlei körperliches
Unbehagen auszustehen und wurde hin und her gerissen zwischen wildem Haß gegen
die Blauröcke, die bei ihr eindrangen und häufig Kleinigkeiten, die es ihnen
angetan hatten, mitnahmen, und ebenso wilder Angst, Tony möchte sie noch
allesamt ins Verderben reißen. Die Gefängnisse waren von Leuten überfüllt, die
wegen viel geringerer Vergehen hinter Schloß und Riegel saßen. Wenn ihnen nur
ein Jota der Wahrheit nachgewiesen wurde, so kamen sowohl sie wie Frank wie
auch die unschuldige Pitty unfehlbar ins Gefängnis. Seit einiger Zeit wurde in
Washington für eine Einziehung des gesamten Rebellenbesitzes Stimmung gemacht,
um die Kriegsschuld der Vereinigten Staaten damit zu bezahlen, und seitdem
wurde Scarlett die ärgsten Befürchtungen nicht mehr los. Dazu kam, daß in
Atlanta wilde Gerüchte umgingen, wer gegen das Militärgesetz verstieße, müsse
mit seinem Vermögen dafür büßen, und Scarlett zitterte davor, daß Frank und sie
nicht nur die Freiheit, sondern auch Haus, Laden und Mühle verlieren könnten.
Und selbst, wenn ihr Vermögen nicht beschlagnahmt und eingezogen wurde, war es
doch so gut wie verloren, denn wer sollte sich um das Geschäft kümmern, wenn
Frank und sie im Gefängnis saßen?
Sie
grollte Tony, daß er ihnen so viel Sorge gebracht hatte. Wie hatte er das
seinen Freunden zumuten können? Nie wieder wollte sie jemandem helfen, wenn
hernach die Yankees zur Strafe dafür wie ein Hornissenschwarm über sie
herfielen. Nein, sie wollte ihre Tür vor jedem verschließen, der Hilfe suchte.
Nur vor Ashley nicht! Nach Tonys Besuch fuhr sie wochenlang bei jedem Laut auf
der Straße aus unruhigen Träumen auf, voller Angst, es könnte Ashley sein, der
gleichfalls nach Texas fliehen müßte. Wie es um ihn stand, wußte
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