Margaret Mitchell
war, zu ihren
Bedingungen. Manchmal fand er, es sei wirklich Lohn genug, sie lächeln zu
sehen, wenn sie ihm in kalter Abenddämmerung die Tür öffnete und ihn aufs Ohr,
die Nase oder andere ungeeignete Stellen küßte oder wenn ihr Kopf sich
nächtlich unter der warmen Decke verschlafen an seine Schulter schmiegte. Zu
Hause konnte es so reizend sein, wenn Scarlett ihren Willen bekam, aber der
Friede, den er sich erwarb, war nur hohler Schein, denn er hatte ihn mit allem
bezahlt, was er in der Ehe für das Rechte hielt.
»Eine Frau
sollte mehr auf ihr Haus und ihre Familie achthaben und sich nicht herumtreiben
wie ein Mann«, sagte er bei sich. »Wenn sie nur ein Kind bekäme ... «
Er
lächelte, wenn er daran dachte, und er dachte sehr oft daran. Scarlett aber
hatte ihn nicht darüber im Zweifel gelassen, daß sie kein Kind haben wollte.
Freilich, die Kleinen pflegten nicht zu warten, bis sie eingeladen wurden, und
Frank wußte, daß viele Frauen sagten, sie wollten keine Kinder haben. Aber das
war alles nur Angst und Albernheit, und wenn Scarlett ein Kind hätte, dann
hätte sie es sicher lieb und bliebe gern zu Hause und nähme sich seiner an wie
alle Frauen. Dann war sie gezwungen, die Mühle zu verkaufen, und mit seinem
Kummer war es vorbei. Jede Frau brauchte ein Kind zu ihrem völligen Glück, und
Frank wußte, daß Scarlett nicht glücklich war. Sowenig er auch von Frauen
verstand, so blind war er doch nicht, zu verkennen, wie unglücklich sie war.
Manchmal wachte er in der Nacht auf und hörte sie leise ins Kissen weinen. Das
erste Mal, als er davon erwachte, daß das Bett unter ihrem Schluchzen bebte,
hatte er sie erschrocken gefragt: »Liebling, was ist dir?« und war mit dem
leidenschaftlichen Ausruf: »Ach, laß mich in Ruhe!« zum Schweigen verwiesen
worden.
Ja, ein
Kind würde sie glücklich machen und von all den Dingen, die sie nichts
angingen, ablenken. Manchmal seufzte Frank und meinte, er habe einen in allen
Edelsteinfarben funkelnden tropischen Vogel eingefangen, während ihm doch mit
einem Zaunkönig ebenso gut, ja sogar besser gedient gewesen wäre.
In einer
wilden, regnerischen Aprilnacht kam Tony Fontaine auf schaumbedecktem, todmüdem
Pferd von Jonesboro nach Atlanta geritten, klopfte an Scarletts Tür und weckte
sie und Frank aus dem Schlaf. Das Herz schlug ihnen bis in den Hals. Dann bekam
Scarlett zum zweitenmal in vier Monaten deutlich zu fühlen, was der
»Wiederaufbau« mit allem, was dazu gehörte, zu bedeuten hatte. Jetzt verstand
sie, was Will mit den Worten gemeint hatte: »Unsere Schwierigkeiten haben erst
angefangen.« Jetzt wußte sie, daß Ashleys trostlose Worte im Obstgarten zu Tara
die Wahrheit sprachen: »Was uns allen nun bevorsteht, ist schlimmer als der
Krieg - schlimmer als das Gefangenenlager - schlimmer als der Tod.«
Zum
erstenmal hatte sie dem »Wiederaufbau« in die Augen gesehen, als Jonas
Wilkerson sie von Tara hatte vertreiben wollen. Aber bei Tonys Ankunft wurde
sie all dessen auf noch viel schrecklichere Weise gewahr. Tony kam im Dunkeln,
im peitschenden Regen und war ein paar Minuten später in die Nacht zurückgekehrt,
aber in dieser kurzen Zwischenzeit lüftete er von einem ungeahnten
Schreckensbild den Vorhang, der sich nun nie wieder schließen konnte, wie sie
sich hoffnungslos gestand. In dieser fürchterlichen Nacht, als der Klopfer in
so dringender Hast gegen ihre Tür hämmerte, stand sie auf dem Treppenabsatz,
wickelte sich fest in ihren Schlafrock und schaute gespannt in die Halle
hinunter; einen einzigen Blick konnte sie in Tonys braunes schwermütiges
Gesicht werfen, ehe er sich vorbeugte und die Kerze in Franks Hand ausblies.
Sie lief im Dunkeln hinunter, faßte die kalte, nasse Hand und hörte ihn
flüstern: »Sie sind hinter mir her ... ich gehe nach Texas, mein Pferd ist
halbtot ... Ich bin am Verhungern. Ashley sagte, ihr ... Kein Licht machen!
Weckt die Schwarzen nicht auf ... Ich möchte euch nicht in Gefahr bringen.«
Als die
Küchengardine geschlossen und alle Läden heruntergelassen waren, duldete er,
daß eine Kerze angezündet wurde, und sprach in abgerissenen Sätzen zu Frank,
während Scarlett eilig etwas für ihn zu essen suchte. Er hatte keinen Mantel
und war bis auf die Haut durchnäßt. Er war ohne Hut gekommen, und das schwarze
Haar klebte ihm an dem schmalen Schädel. Aber die Lustigkeit der Fontaineschen
Jungens, eine schauerliche Lustigkeit an diesem Abend, sprühte ihm aus den
Augen, als er den Whisky, den sie ihm
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