Margaret Mitchell

Sie nicht
zu mir und arbeiten bei mir? Ein Mühlenbetrieb ist eine angesehenere Tätigkeit
als einen Pastetenwagen fahren. Sie sollten sich schämen.«
    »O je, ich
sterbe vor Scham«, grinste Rene. »Aber wer möchte wohl noch angesehen sein? Mein
ganzes Leben war ich angesehen, bis der Krieg mich in Freiheit gesetzt hat wie
die Schwarzen. Nun brauche ich nie wieder würdevoll zu tun und mich zu
langweilen. Ich bin frei wie der Vogel! Ich liebe meinen Pastetenwagen, mein
Maultier und die guten Yankees, die so freundlich Madame Bellemere's Pasteten
kaufen. Nein, Madame Scarlett, ich muß Pastetenkönig bleiben! Das ist meine
Bestimmung! Wie Napoleon folge ich meinem Stern!« Theatralisch schwenkte er
seine Peitsche.
    »Aber Sie
sind doch nicht dazu erzogen, Pasteten zu verkaufen, ebensowenig wie Tommy,
sich mit irischen Maurern herumzuschlagen.«
    »Und Sie
sind wohl dazu erzogen, eine Sägemühle zu betreiben?« entgegnete Tommy, und es
zuckte ihm um die Mundwinkel. »Jawohl, ich sehe die kleine Scarlett vor mir,
wie sie sich ans Knie der Mutter schmiegt und ihre Lektion aufsagt:
>Verkaufe nie gutes Holz, wenn du für schlechtes einen besseren Preis
bekommst. «<
    Rene
lachte schallend, und seine kleinen Affenaugen funkelten vor Vergnügen, als er
Tommy auf seinen verkrümmten Rücken schlug.
    »Seien Sie
nicht so unverschämt«, sagte Scarlett kalt, denn sie sah wenig Witz in Tommys
Bemerkung. »Natürlich bin ich nicht dazu erzogen worden, eine Sägemühle zu
führen.«
    »Ich
wollte gar nicht unverschämt sein. Aber Sie betreiben eine Sägemühle, ob Sie
nun dazu erzogen sind oder nicht, und machen Ihre Sache sogar gut. Nun, soweit
ich sehe, tut von uns im Augenblick niemand das, was er eigentlich vorhatte.
Aber wir schlagen uns trotzdem durch. Ein kläglicher Wicht, wer sich hinsetzt
und weint, weil das Leben nicht so ist, wie er es erwartet hat. Warum suchen
Sie sich nicht einen unternehmenden Schieber, Scarlett, der bei Ihnen
arbeitet?«
    »Schieber
stehlen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Ich möchte einen anständigen
Mann aus guter Familie, tüchtig, ehrlich und tatkräftig ... «
    »Viel
verlangen Sie ja nicht, aber für das Geld, das Sie bieten, bekommen Sie das
nicht. Solche Männer haben alle etwas zu tun gefunden, außer den völlig
Verstümmelten, vielleicht nicht genau das, was ihnen auf den Leib geschrieben
ist, aber etwas Eigenes, das ihnen lieber ist als die Arbeit unter einer Frau.«
    »Männer
sind doch recht unvernünftig, nicht wahr - wenn man der Sache auf den Grund
geht?«
    »Mag sein,
aber sie haben auch ihren Stolz«, sagte Tommy schlicht.
    »Stolz!
Stolz schmeckt vorzüglich, besonders wenn er recht knusprig und mit Windbeuteln
garniert ist«, sagte Scarlett patzig.
    Die beiden
Männer lachten, aber Scarlett spürte ihre vereinte männliche Mißbilligung. Was Tommy
sagte, traf auf alle zu, an die sie sich gewandt hatte oder hatte wenden
wollen. Alle hatten sie zu tun und arbeiteten schwerer als sie es sich vor dem
Kriege je hatten träumen lassen. Sie taten nicht immer, was sie sich
vorgenommen hatten und was ihnen am leichtesten gefallen wäre oder wozu sie
erzogen worden waren. Aber sie taten etwas. Die Zeiten waren schwer, man konnte
nicht wählerisch sein. Und wenn sie gescheiterten Hoffnungen nachtrauerten und
einen zerstörten Lebensstil sich zurücksehnten, so erfuhr das niemand. Sie
führten einen neuen Krieg, der härter war als der letzte, und ihnen lag wieder
etwas am Leben, sie nahmen es ebenso ernsthaft und packten es ebenso frisch an
wie vor dem großen Einschnitt, den der Krieg für ihr Leben bedeutete.
    »Scarlett«,
sagte Tommy verlegen, »es ist mir schrecklich, Sie um einen Gefallen zu bitten,
nachdem ich unverschämt gegen Sie gewesen bin, aber ich tue es trotzdem.
Vielleicht kann es Ihnen auch etwas nützen. Mein Schwager, Hugh Elsing, geht
mit Holz hausieren und hat nicht viel Glück dabei. Außer den Yankees geht jetzt
jedermann in den Wald und sammelt sich sein Feuerholz selber ... Ich weiß, die
ganze Familie Elsing schlägt sich sehr schwer durch. Ich tue, was ich kann,
aber, sehen Sie, ich habe Fanny zu ernähren und muß mich auch um meine Mutter
und um zwei verwitwete Schwestern drüben in Sparta kümmern. Hugh ist anständig,
und einen anständigen Menschen wollen Sie ja haben, und ehrlich ist er auch
...«
    »Aber ...
ja, hätte Hugh ein wenig Grips, so hätte er es mit seinem Feuerholz schon zu
etwas gebracht!«
    Tommy
zuckte die Achseln. »Sie