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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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größere Abscheu vor den Yankees haben als sie,
denn der bloße Anblick einer blauen Uniform ließ die Wut in ihr hochsteigen,
aber sogar im Familienkreis schwieg sie darüber. Mochten andere ins Gefängnis
kommen, weil sie ihre Gesinnung aussprachen, und aufgehängt werden, weil sie
dem Ku-Klux-Klan angehörten. Mochten andere Frauen stolz darauf sein, daß ihre
Männer mittaten, mochten andere schäumen und kochen vor Wut und Pläne
schmieden, um zu ändern, was doch nicht zu ändern war. Was lag an dem
Stimmzettel, wenn es in Wirklichkeit darauf ankam, das tägliche Brot und ein
Dach über dem Kopf zu haben und nicht ins Gefängnis zu wandern! Mochte Gott sie
nur bis zum Juni vor dem Unheil bewahren! Nur bis zum Juni! Von da ab mußte
Scarlett zu Hause bleiben, bis das Kind geboren war. Schon schüttelten die
Leute die Köpfe über sie, weil sie sich in ihrem Zustand überhaupt noch zeigte.
Das tat eine Dame nicht. Schon drangen Frank und Pitty in sie, sich zu schonen,
und sie hatte ihnen versprochen, im Juni mit der Arbeit aufzuhören.
    Nur bis
zum Juni! Bis dahin mußte die Mühle so gut gehen, daß sie sich nicht mehr selbst
darum zu kümmern brauchte, bis dahin mußte sie so viel Geld haben, daß sie
wenigstens notdürftig gegen Unvorhergesehenes geschützt war. Und es gab soviel
zu tun! Sie wünschte, der Tag hätte doppelte Stunden, sie zählte die Minuten
und trachtete fieberhaft nur nach Geld und immer mehr Geld.
    Weil sie
den zaghaften Frank ständig anspornte, ging der Laden jetzt besser, und sogar
einige der ausstehenden Gelder kamen herein. Aber all ihre Hoffnungen hatte sie
auf die Sägemühle gesetzt. Die Nachfrage nach Baumaterial war so groß, daß sie
nicht befriedigt werden konnte. Die Preise für Holz, Ziegel und Steine zogen
an, und Scarlett hielt die Mühle vom frühen Morgen bis zum abendlichen
Laternenlicht in Betrieb. Einen Teil jedes Tages verbrachte sie hier und hatte
die Augen überall, um der Dieberei Johnsons, von der sie überzeugt war, ein
Ende zu machen. Aber den größten Teil der Zeit fuhr sie in der Stadt bei
Bauherren, Unternehmern und Zimmerleuten umher, besuchte sogar Fremde, von
deren Bauplänen sie gehört hatte, und schmeichelte ihnen das Versprechen ab,
nur bei ihr zu kaufen. Bald war sie eine bekannte Gestalt, wie sie neben ihrem
würdevollen, mißbilligenden alten Kutscher in ihrem Einspänner saß, die
Wagendecke hoch heraufgezogen, die kleinen behandschuhten Hände im Schoß
gefaltet. Tante Pitty hatte ihr eine hübsche, grüne Mantille gemacht, die ihre
Figur verbarg, und einen grünen Pfannkuchenhut, der zu ihren grünen Augen
paßte; in dieser kleidsamen Aufmachung fuhr sie immer auf ihre Geschäftswege.
Eine Spur von Rouge auf den Wangen, ein noch schwächerer Hauch von Kölnisch
Wasser, und sie war reizend - solange sie im Wagen sitzenblieb und ihre Figur
nicht zeigte. Und sie brauchte fast nie auszusteigen. Wenn sie lächelte und
winkte, kamen die Männer an den Wagen und standen oft ohne Hut im Regen, um
geschäftlich mit ihr zu verhandeln.
    Sie war
nicht die einzige, die die Gelegenheit erkannt hatte, mit Holz Geld zu
verdienen. Aber sie fürchtete ihre Konkurrenten nicht. Sie war sich ihrer
Tüchtigkeit bewußt und sah, daß sie es mit jedem aufnehmen konnte. Sie war
Geralds Tochter, und der kluge kaufmännische Sinn, den sie geerbt hatte,
schärfte sich noch durch die Not. Zuerst hatten die anderen Holzhändler über
sie gelacht und gutmütig auf die Frau hinabgesehen, die Geschäfte machen
wollte. Aber jetzt lachten sie nicht mehr, sondern verfluchten sie im stillen,
wenn sie vorüberfuhr. Daß sie eine Frau war, kam ihr häufig zugute, denn sie
konnte, wenn es nötig war, so hilflos und bittend dreinschauen, daß alle Herzen
schmolzen; sie konnte als die schüchterne kleine, aber tapfere Frau auftreten,
die durch die Bitterkeit des Lebens gezwungen war zu arbeiten und verhungern
mußte, wenn die Kunden ihr das Holz nicht abkauften. Sobald sie aber mit ihrer
Fraulichkeit nichts ausrichtete, wurde sie kalt und geschäftlich und scheute
sich nicht, ihre Konkurrenten mit eigenem Verlust zu unterbieten, falls sie
damit einen neuen Kunden erwerben konnte. Sie scheute sich auch nicht,
minderwertige Waren zu gutem Preise zu verkaufen, wenn sie glaubte, vor
Entdeckung sicher zu sein, und machte sich kein Gewissen daraus, die anderen
Holzhändler in Verruf zu bringen. Als sei es ihr in der Seele zuwider, so
unerfreuliche Dinge an Licht zu bringen, erzählte sie

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