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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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einem künftigen Kunden
dann seufzend, das Holz der Konkurrenz sei viel zu teuer, außerdem mulmig,
voller Astlöcher und von kümmerlichster Qualität. Als sie das erstemal solche
Lügen vorbrachte, erschrak sie über sich selbst, wie leicht und natürlich ihr
die Unwahrheit von den Lippen ging, und sie fühlte sich schuldig, wenn ihr
plötzlich durch den Sinn zog: »Was würde Mutter dazu sagen?«
    Was Ellen
von einer Tochter denken würde, die log und derartige Geschäftspraktiken
anwandte, stand außer Zweifel. Ungläubig würde sie sein und vor Schreck sich kaum
zu helfen wissen, sanfte Worte würde sie sprechen, die dennoch einen Stachel
hinterließen, Worte von Ehre und Redlichkeit, von Wahrheit und den Pflichten
gegenüber den Mitmenschen. Scarlett wurde das Herz schwer, wenn sie sich den
Gesichtsausdruck ihrer Mutter vorstellte. Aber dann verblich das Bild vor dem
harten, skrupellosen und gierigen Trieb, der in den hungrigen Tagen auf Tara in
ihr erwacht war und in der gegenwärtigen Unsicherheit des Lebens immer noch
zunahm. Und sie dachte bei ihren Geschäften nicht mehr an Ellen und bereute nie
wieder irgend etwas, was sie tat, um andere zu übervorteilen. Zudem wußte sie
sich völlig sicher, denn die Ritterlichkeit des Südens schützte sie. Eine Dame
aus dem Süden konnte zwar über einen Herrn Unwahrheiten erzählen, aber ein Herr
aus dem Süden konnte nicht eine Dame der Lüge beschuldigen. Die Konkurrenten
konnten nur innerlich toben und im engsten Familienkreis den Wunsch
aussprechen, Mrs. Kennedy möge nur einmal für fünf Minuten ein Mann sein.
    Ein armer
Teufel, der an der Decaturstraße gleichfalls eine Mühle betrieb, versuchte in
der Tat einmal, Scarlett mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen und nannte sie
öffentlich eine Schwindlerin; aber es schadete ihm mehr, als es ihm nützte,
denn alles war entsetzt, daß jemand etwas so Empörendes von einer Dame aus
guter Familie sagen konnte, wenn sie sich auch noch so unweiblich aufführte.
Scarlett quittierte seine Beschimpfungen mit würdevollem Schweigen und widmete
fortan ihm und seinen Kunden ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie unterbot ihn so
erbarmungslos und lieferte mit geheimem Stöhnen eine so vorzügliche Ware, um
ihre Ehrlichkeit zu beweisen, daß er bald bankrott war. Dann kaufte sie zu
Franks Entsetzen seine Mühle zu einem Preis, den sie selber diktierte.
    Als sie
sie in Besitz hatte, erhob sich das schwierige Problem, einen
vertrauenswürdigen Mann zu finden, der sie führen konnte. Einen zweiten Johnson
wollte sie nicht haben. Sie wußte genau, daß er immer noch ihr Holz hinter
ihrem Rücken verkaufte. Aber sie meinte, es würde nicht schwer sein, den
Richtigen zu finden. War nicht jeder arm wie Hiob, und waren nicht die Straßen
voll von Männern, die früher reich gewesen waren und jetzt nach Arbeit und
Verdienst suchten? Es verging kein Tag, ohne daß Frank einem hungernden Veteranen
Geld gab oder Pitty und Cookie für abgezehrte Bettler etwas zu essen
einpackten.
    Aber von
diesen Leuten wollte Scarlett keinen haben. »Was soll ich mit jemandem, der
nach einem Jahr noch keine Arbeit gefunden hat?« dachte sie sich. »Wenn sie
sich den neuen Verhältnissen noch immer nicht angepaßt haben, werden sie sich
auch mir nicht anpassen. Wie geprügelte Hunde sehen sie alle aus. Ich will
jemanden, der tüchtig und tatkräftig ist, wie Renny oder Tommy Wellburn oder
Keils Whiting oder einen von den Simmonsschen Jungen. Denen steht nicht die
Resignation auf der Stirn geschrieben, sondern man sieht ihnen an, daß sie zu
handeln verstehen.«
    Die
Simmons aber, die eine Ziegelei eröffnet hatten, und Keils Whiting, der ein
Präparat aus der Küche seiner Mutter verkaufte, das unter Garantie nach
sechsmaligem Gebrauch auch das wolligste Negerhaar glättete, lächelten zu
Scarletts Überraschung nur höflich und lehnten dankend ab. Sie versuchte es
noch bei mehreren anderen, aber gleichfalls ohne Erfolg. Verzweifelt erhöhte
sie ihr Gehaltsangebot, bekam aber trotzdem nichts als Absagen. Einer von Mrs.
Merriwethers Neffen bemerkte, zwar schätze er es nicht besonders, einen Karren
zu ziehen, aber es sei doch sein eigener Karren, und ehe er sich von Scarlett
Dampf machen ließ, fahre er lieber langsamer unter eigenem Dampf.
    Eines
Nachmittags hielt Scarlett mit ihrem Einspänner neben Rene Picards
Pastetenwagen und rief Rene und den verkrüppelten Tommy Wellburn an, der sich
von seinem Freunde mitnehmen ließ. »Hören Sie zu, Renny, warum kommen

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