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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sie sich
endlich zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen und eine vornehme Dame
sein, wie Ellen, hilflos und behütet, wie es sich für eine Dame geziemt. Wenn
sie nur erst wieder Geld hatte! Dann konnte sie sich erlauben, gütig und sanft
zu sein wie Ellen und an andere zu denken und an das, was sich schickt. Dann
verlief ihr Leben ohne Angst, geruhsam und friedlich. Dann hatte sie Zeit, mit
ihren Kindern zu spielen und bei ihrem Unterricht zuzuhören. Dann gab es lange,
warme Nachmittage, dann kamen Damen zu Besuch, und beim Raschem der
Taftunterröcke und dem ebenmäßigen Wedeln der Palmenfächer reichte sie Tee,
Brötchen und Kuchen und verplauderte in Muße die Stunden. Gütig wollte sie
gegen die Unglücklichen sein, den Armen wollte sie Geschenke bringen und den
Kranken kräftige Nahrung, und alle, die es nicht so gut hatten wie sie, wollte
sie in ihrem schönen Wagen ausfahren. Dann war sie eine Dame nach echter Art
des Südens, wie ihre Mutter eine gewesen war. Dann liebten alle sie, wie sie
Ellen geliebt hatten, rühmten ihr nach, wie selbstlos sie sei, und nannten sie
»gütige Fee«.
    Ihre
Freude an solchen Luftschlössern wurde nicht im mindesten durch die Erkenntnis
getrübt, daß sie ja eigentlich gar nicht den Wunsch hatte, selbstlos,
barmherzig und gütig zu sein; sie wollte nur in dem Rufe stehen, all dies zu
sein. Die Maschen ihres Hirns waren zu weit, da rannen solch feine Unterschiede
ungefiltert hindurch. Ihr genügte, daß eines Tages, wenn sie erst wieder Geld
hatte, jeder mit ihr zufrieden sei.
    Eines
Tages! Jetzt nicht, jetzt nicht, was auch die Leute reden mochten. Jetzt hatte
sie keine Zeit, eine vornehme Dame zu sein.
    Peter
hielt Wort. Tante Pitty bekam ihre Zustände, und Peters Leiden nahm über Nacht
einen solchen Umfang an, daß er nie wieder den Wagen fuhr. Künftig fuhr
Scarlett allein, und die Schwielen in ihren Händen, die schon fast verschwunden
waren, kamen wieder.
     
    39
     
    Der
Frühling ging hin. Die kühlen Regengüsse des April wurden von der balsamischen
Wärme und Farbenpracht des Mai abgelöst. Die Wochen waren voll von Arbeit und
Sorge, Scarletts Schwangerschaft behinderte sie immer mehr. Die alten Freunde
wurden kühler und die Angehörigen immer noch freundlicher, noch auf reizender
besorgt und immer noch blinder für das, was Scarlett eigentlich wollte. In
diesen Tagen der Sorge und des Kampfes gab es auf der Welt für sie nur einen
einzigen verläßlichen und verständnisvollen Menschen, und das war Rhett Butler.
Seltsam, daß gerade er ihr in diesem Licht erschien, denn er war unstet wie
Quecksilber und widerspenstig wie ein böser Geist, der frisch aus der Unterwelt
kam, aber er gab ihr etwas, was kein anderer ihr entgegenbrachte und was sie
nie von ihm erwartet hatte: Mitgefühl.
    Häufig war
er von Atlanta abwesend und befand sich auf einer seiner geheimnisvollen Reisen
nach New Orleans, die er ihr nie näher erklärte, von denen sie aber in einem
Anflug von Eifersucht glaubte, daß sie einer oder gar mehreren Frauen galten.
Seitdem jedoch Onkel Peter sich geweigert hatte, sie zu kutschieren, blieb er
immer häufiger und für immer längere Zeiträume in Atlanta.
    Wenn er
hier war, verbrachte er den größten Teil seiner Zeit beim Spiel in den
Hinterräumen des Etablissements »Mädchen von heute« oder in Belle Watlings Bar;
dort zechte er mit den reichen Yankees und schwatzte mit Schiebern über
Geldprojekte, wodurch er sich in der Stadt noch verhaßter machte als seine
Genossen. Er machte jetzt keine Besuche mehr bei Tante Pitty, wahrscheinlich um
Frank und die alte Dame zu schonen, die über einen männlichen Besuch, solange
Scarlett in andern Umständen war, entsetzt gewesen wären. Aber zufällig traf er
Scarlett fast jeden Tag. Immer wieder kam er an ihren Einspänner herangeritten,
wenn sie einsame Strecken über die Pfirsichstraße oder die Decaturstraße hinaus
bis zu den Mühlen fuhr. Jedesmal hielt er an und sprach mit ihr, und manchmal
band er sein Pferd hinten an den Wagen und kutschierte sie auf ihren
Rundfahrten. Sie wurde jetzt leichter müde, als sie zugeben mochte, und im
stillen war sie dankbar, wenn er ihr die Zügel abnahm. Er verließ sie jedesmal,
ehe sie wieder in die Stadt kamen, aber ganz Atlanta wußte von ihrem
Zusammentreffen, und die Klatschmäuler konnten ihre stattliche Liste von Scarletts
Verstößen gegen die Schicklichkeit abermals verlängern.
    Oftmals
fragte sie sich, ob er sie wirklich nur zufällig treffe.

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