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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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diese unverschämten,
unwissenden, anmaßenden Eroberer. Aber sie biß die Zähne zusammen, bis ihr die
Kiefermuskeln hervortraten, und sagte sich, die Zeit sei noch nicht gekommen,
da man den Yankees freiheraus die Meinung sagen konnte. Eines Tages sollte es
geschehen, bei Gott, ja! Aber jetzt noch nicht.
    »Onkel
Peter gehört zur Familie«, sagte sie mit bebender Stimme. »Guten Abend. Fahr
zu, Peter.«
    Onkel
Peter gab dem Pferde so unvermittelt heftig die Peitsche, daß das erschrockene
Tier mit einem Satz ansprang, und als der Wagen plötzlich anfuhr, hörte
Scarlett die Frau aus Maine ganz verdutzt sagen: »Zur Familie? Sie meint doch
nicht zur Verwandtschaft? Er ist aber doch so auffallend schwarz!«
    »Zum
Teufel mit ihnen! Sie sollten vom Angesicht der Erde ausgelöscht werden. Wenn
ich je zu Geld komme, spucke ich ihnen ins Gesicht!«
    Sie
blickte zu Peter hinüber und sah, wie ihm eine Träne die Nase herunterlief. Da
regte sich in ihr eine so leidenschaftliche Zärtlichkeit und ein so tiefer
Schmerz über seine Demütigung, daß ihr die Augen brannten. Ihr war, als hätte
sie mit ansehen müssen, wie man ein Kind unsinnig roh mißhandelte. Diese Weiber
hatten Onkel Peter weh getan - Peter, der mit dem alten Oberst Hamilton den
mexikanischen Krieg mitgemacht hatte, der seinen Herrn im Arm gehalten, als er
starb, der Melanie und Charles aufgezogen und die hilflose, närrische Pittypat
behütet hatte, als sie floh, der ein Pferd aufgetrieben hatte, mit dem er sie
nach der Kapitulation durch ein vom Krieg verwüstetes Land von Macon nach
Atlanta zurückbrachte. Und diese Frauen sagten, sie könnten den Niggern nicht
trauen!
    »Peter«,
sagte sie bebender Stimme und legte ihm die Hand auf den mageren Arm. »Ich
schäme mich in meiner Seele wegen deiner Tränen. Was schert das dich? Es sind
ja nur verdammte Yankees!«
    »Sie reden
von mir, als bin ich ein Maultier und verstehe sie nicht, und als bin ich aus
Afrika und weiß nicht, wovon sie sprechen!« Peter schnaufte vernehmlich. »Und
sie nennen mich Nigger, und mich hat noch nie ein Weißer >Nigger<
genannt, und altes Verzugskind nennen sie mich und sagen, Niggern kann man
nicht trauen! Mir nicht trauen! Als der alte Master Oberst starb, hat er doch
zu mir gesagt: >Peter, du sorgst für meine Kinder und paßt gut auf die junge
Miß Pittypat auf<, sagte er, >sie hat nicht mehr Verstand als ein
Grashüpfer.< Und ich habe all die Jahre gut auf sie aufgepaßt ... «
    »Der Engel
Gabriel hätte es nicht besser machen können«, suchte Scarlett ihn zu beruhigen,
»ohne dich hätten wir gar nicht leben können.«
    »Jawohl,
Missis, vielen Dank auch, Missis. Das weiß ich, und Sie wissen es auch, aber
die Yankees wissen es nicht und wollen es nicht wissen. Was mischen die sich in
unsern Kram, Miß Scarlett? Sie verstehen uns Konföderierte ja doch nicht!«
    Scarlett
erwiderte nichts. In ihr kochte noch immer der Zorn, den sie den Yankeefrauen
gegenüber nicht hatte loswerden können. Die beiden fuhren schweigend heim.
Peter hörte auf zu schnaufen, aber allmählich schob sich seine Unterlippe
heraus, bis sie beängstigend weit hervortrat. Seine Empörung stieg in dem Maße,
als er die ursprüngliche Kränkung verschmerzte.
    Scarlett
dachte: »Verfluchte dumme Narren sind doch die Yankees. Diese Weiber meinen,
weil Onkel Peter schwarz ist, habe er keine Ohren, zu hören, und kein Gefühl,
empfindlich wie ihr eigenes, das schmerzt, wenn es verletzt wird. Sie wissen
nicht, daß Neger behutsam behandelt werden wollen wie Kinder, geleitet, gelobt,
gestreichelt, ausgescholten.  Sie verstehen nichts von den Negern und von den
Beziehungen zwischen ihnen und uns. Und doch haben sie den Krieg geführt, um
sie zu befreien, und nachdem sie sie befreit haben, wollen sie nichts mit ihnen
zu tun haben, höchstens, um die Südstaatler mit ihnen zu terrorisieren. Sie
mögen sie nicht, sie trauen ihnen nicht, sie begreifen sie nicht, und doch
erheben sie beständig ein Geschrei, wir im Süden verstünden nicht, sie zu
behandeln.«
    Einem
Schwarzen nicht trauen! Scarlett traute ihnen weit mehr als den meisten Weißen,
sicherlich mehr als allen Yankees. Sie hatten eine Treue gegen ihre Herren,
eine Liebe und Unermüdlichkeit, die allen Prüfungen standhielten und für kein
Geld der Welt feil waren. Sie dachte an die paar Getreuen, die in Tara
zurückgeblieben waren, als die Yankees einbrachen, wo sie doch hätten fliehen
und zur Truppe übergehen können, um in sicherer Muße zu

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