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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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...
nicht viel darunter.«
    »Und Sie
haben sie gewaltig bewundert, wenn Sie auch immer versucht haben, Ihrer Mutter
zu gleichen. Ich hatte einen Großvater von der Butlerschen Seite, der war
Seeräuber.«
    »Wahrhaftig?
Doch nicht von der Sorte der Totschläger und Halsabschneider?«
    »Wenn
damit Geld zu machen war, wird er wohl auch Leute umgebracht haben. Auf jeden
Fall hat er sich so viel zusammengegaunert, daß mein Vater recht vermögend war.
Aber die Familie bezeichnete ihn immer vorsichtig als >Seemann< und
>Kapitän<. Er kam längst vor meiner Geburt bei einer Kneipenrauferei ums
Leben. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß bei seinem Tode seine Kinder
erleichtert aufatmeten. Der alte Herr war meistens betrunken, er pflegte dann wohl
auch zu vergessen, daß er ein ehrbarer früherer Seemann war, und erzählte
einiges aus seinem Leben, so daß den Kindern die Haare zu Berge standen. Ich
habe ihn immer bewundert und ihm viel mehr nachgeeifert als meinem Vater. Mein
Vater war ein liebenswürdiger Herr von ehrenhaftem Lebenswandel und voll
frommer Redensarten. Sehen Sie, so geht es. Ihre Kinder werden sicher
ebensowenig mit Ihnen einverstanden sein wie heute schon die Damen Merriwether
und Elsing und ihr ganzer Schlag. Wahrscheinlich werden Ihre Kinder sanfte,
sittsame Geschöpfe, wie meistens die Kinder von Dickschädeln. Und um sie
vollends zu verweichlichen, werden Sie vermutlich wie jede Mutter alles
daransetzen, daß sie nie all die Mühsal kennenlernen, die Sie erlebt haben.
Aber das ist alles verkehrt. Das Unglück stärkt den Menschen oder es zerbricht
ihn. Beifall können Sie erst von Ihren Enkeln erwarten.«
    »Ja, wie
unsere Enkel wohl ausfallen!«
    »Unsere?
Wollen Sie damit andeuten, daß Sie und ich gemeinsame Enkelkinder haben werden?
Pfui, Mrs. Kennedy!«
    Plötzlich
wurde Scarlett sich bewußt, was sie da gesagt hatte, und sie errötete. Sie
schämte sich nicht nur seines Scherzes, sondern dachte wieder an ihren
zunehmenden Körperumfang. Weder sie noch er hatten je auf ihren Zustand
angespielt. Sie hatte sich immer, wenn er dabei war, die Wagendecke bis unter
die Achseln hochgezogen, auch an warmen Tagen, und sich nach Frauenart in dem
Glauben getröstet, man sähe ihr nichts an, wenn sie sich so zudecke. Plötzlich
wurde sie wütend über ihren Zustand, wütend vor Scham, daß er davon wußte.
    »Aus dem
Wagen, Sie Schmutzfink«, sagte sie mit bebender Stimme.
    »Ich
bleibe sitzen«, erwiderte er gelassen. »Ehe Sie nach Hause kommen, ist es
dunkel, und beim nächsten Brunnen hat sich eine neue Kolonie von Schwarzen in
den Zelten und Blockhütten gebildet, Nigger schlimmster Sorte, höre ich, und
ich sehe nicht ein, warum Sie dem tatendurstigen Ku-Klux-Klan Anlaß geben
sollten, heute abend die Nachthemden anzuziehen und auszureiten.«
    »Hinaus!«
schrie sie und zerrte an den Zügeln. Da wurde ihr plötzlich schlecht. Rasch
hielt er das Pferd an, gab ihr zwei reine Taschentücher und hielt ihr geschickt
den Kopf über den Wagenrand. Einen Augenblick drehten sich schwindelerregend
die Strahlen der Nachmittagssonne, die niedrig durch die frisch begrünten Bäume
schien, in einem Wirbel von Grün und Gold. Als der Anfall vorüber war, barg sie
den Kopf in den Händen und weinte vor Scham. Sie hatte sich nicht nur vor den
Augen eines Mannes erbrochen - das Schrecklichste, was einer Frau widerfahren
konnte -, sondern die beschämende Wirklichkeit ihrer Schwangerschaft war an den
Tag gekommen. Ihr war zumute, als könnte sie Rhett nie wieder in die Augen
sehen. Daß ihr dies gerade bei diesem Mann zustoßen mußte, der keine Achtung
vor der Frau hatte! Sie weinte und war auf einen derben Witz gefaßt, den sie
ihm nie würde verzeihen können.
    »Sei nicht
so dumm«, sagte er ruhig. »Es ist dumm von dir, dich bis zu Tränen zu schämen.
Komm, Scarlett, sei kein Kind, du mußt doch wissen, daß mir deine
Schwangerschaft bekannt war. Ich bin doch nicht blind.«
    »Ach«,
seufzte sie beklommen und preßte ihr Gesicht nur noch fester in die Hände.
Schon das Wort war ihr schrecklich. Frank sprach verlegen von ihren
»Umständen«, wenn er ihre Schwangerschaft meinte. Gerald hatte zartfühlend von
einem »Familienereignis« gesprochen, wenn er auf derartiges anspielte. Die
Damen pflegten es vornehm mit »in Verlegenheit sein« zu bezeichnen.
    »Du bist
ein Kind, wenn du meinst, ich hätte es nicht gesehen, weil du dich unter der
heißen Decke verkriechst. Natürlich wußte ich es, warum hätte ich

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